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Generation A

Generation A

Titel: Generation A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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schlimmerem Zustand war als die Vehikel der Taxipiraten bei uns daheim - es roch nach billigem Rasierwasser und Diesel.
    Ich fühlte mich auf dem Rücksitz alles andere als wohl, wurde aber doch neugierig, wohin es gehen sollte, als wir an der Polizeiwache vorbeifuhren und dann weiter in ein offensichtlich einst wohlhabendes Wohngebiet, in dem nun alles mit Sperrholz und BETRETEN-VERBOTEN-Schildern vernagelt war.
    Wir hielten vor einem Haus, dessen Bewohner offenbar noch gutbürgerlichen Verhaltensmustern folgten - zur Straße hin ein Viereck von gemähtem Rasen und in Weiß hineingetupft einige frisch geputzte Gartenmöbel von der Sorte, wie Tsunamis sie ausrülpsen. Heimweh schwemmte über mich hinweg, aber dann wurde ich schon unsanft durch die Vordertür in einen nach Schimmel riechenden Flur geschubst.
    »Okay, Schläferzelle, nicht eine beschissene Bewegung, bis wir es dir sagen. Rein da.«
    Sie sperrten mich in ein wiederum unbekanntes Schlafzimmer, diesmal eins mit vergittertem Fenster, von dem aus man zwei völlig verrostete Schneemobile auf einer distelbewachsenen Rasenfläche sah. Die Tapeten an den Wänden zeigten Szenen aus beliebten Kinderreimen, und ein Körbchen mit Potpourri, eine zu dieser Jahreszeit beliebte Kleinigkeit, die im Dezember gerne zusammen mit weihnachtlich bestickten Pullovern bestellt wurde, verbreitete zarten Duft. Bei näherem Hinsehen bemerkte ich, dass bis auf das vergitterte Fenster alles in diesem Raum dazu angetan war, mich aufzumuntern oder mich in die Kindheit zurückzuversetzen - und doch hatte der Raum nicht die Atmosphäre eines Kinderzimmers.
    Er ließ mich eher an die Behausung eines Erwachsenen denken, der die Realität aussperrte, um von Kindern zu träumen, die er nie haben würde. Es deprimierte mich und erzählte von Aberglauben und Spinnerei.
    Ich rief durch die Tür: »Meine Herren? Hallo? Könnte ich irgendetwas zu essen oder zu trinken bekommen? Eine einfache Tasse Kaffee vielleicht?«
    Polternde Schritte näherten sich der Tür, und der Bariton des Sheriffs dröhnte: »Kaffee? Bin ich Milliardär? Der entthronte Prinz von Nigeria? Dürfen es vielleicht auch noch ein bisschen Gänseleberpastete und ein schönes Stück Torte sein?“
    Er ging hämisch kichernd weg.
    Ich seufzte und fragte mich, womit ich es verdient hatte, immer in seltsamen Schlafzimmern zu landen, jedoch nie in einem guten Zusammenhang. Ich zog mein Hemd aus und sah mir das Hämatom auf meiner Brust an, das die Größe und Form einer Salatgurke hatte. Genau da passierte es, dass ich aus mir selbst herausgelöst wurde oder mich verdoppelte wie ein Bakterium und das neuere Ich sich über meinen Körper, der noch auf der Bettkante saß, erhob. Ich schwebte durch die Zimmerdecke und dann höher durch das Hausdach hindurch, bis ich über den Feldern Ohios flog wie ein Helikopter, nur höher und stiller. Ich stieg höher und höher und hatte bald die Stelle erreicht, wo die Atmosphäre in den Weltraum übergeht. Ich drehte mich um und schaute in die Sonne, doch anstatt zu erblinden, empfand ich nur einen Augenblick der Ehrfurcht, ein Erkennen, dass das Leben auf der Erde zart und zerbrechlich war und alles allein der Sonne verdankte. Ich drehte mich wieder zurück und blickte auf das Universum und erzitterte, weil es so unvorstellbar groß und leer war. Ich dachte an die Erde, diesen kosmischen Kieselstein, der um einen Stern der Klasse D kreiste das, was wir Leben nennen, bewohnt nur den dünnen Verputz dieses Fleckchens, und selbst in dieser dünnen Putzschicht kommt gar nicht mal so viel Leben vor. Ich schaute wieder auf den Planeten hinunter und dachte: Welch ein Wunder, den wenigen der ohnehin so wenigen Moleküle im Universum anzugehören, denen die Gunst zuteil wird, dieses sogenannte Leben zu erfahren - Sterne und Gasnebel und Schwarze Löcher gibt es zu Billiarden, und doch ist lebendig zu sein nur einigen wenigen Molekülen hier auf der Erde vergönnt.
    Und dann begann ich wieder zu fallen. Nicht eigentlich zu fallen, aber es ging doch beunruhigend schnell abwärts. Plop , da war ich wieder in dem Zimmer mit der Märchentapete, ein Gefangener, dessen Zellentür jetzt von Chief Wiggum eingetreten wurde, dieser mit einer Spritze im Anschlag und von zwei Gorillas begleitet, wie man sie gelegentlich noch in Polizeiserien aus den i97oern auf irgendeinem Satellitensender mit siebenstelliger Kanalnummer sah.
    »Wir brauchen mal ein Pröbchen von deinen Schläferzellen«, sagte er und rückte gegen

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