Generation A
nicht dumm, Brenda. Wie schwer ist es schon, die Nummer von jemandem herauszufinden? Komm doch wieder zur Kirche und zu unserem wöchentlichen Treffen. Du weißt gar nicht, wie viel du mir bedeutest. Kannst du deinem Herzen keinen Stoß geben?«
Sie konnte. Sie und Barry hatten wilden, versauten Sex in der Wochenmitte, gefolgt vom sonntäglichen Kirchenbesuch, bei dem sie sich verstellen musste.
Und dann war Brenda eines Samstagnachmittags in der Innenstadt, um eine Jacke zurückzugeben, die nicht richtig saß, und wurde vor dem Geschäft Augenzeugin eines Unfalls: Ihr Prediger kam im Auto vorbei und überfuhr mit seinem brandneuen GMC Yukon XL Denali - dessen Innenraum aufdringlich nach dem Parfüm seiner Frau roch - einen Border Collie. Brenda lief hinüber und nahm den Hund in ihre Arme, während der Prediger aus seinem SUV stieg. Er sagte:
»Reg dich nicht auf, Brenda. Ist doch nur ein Hund.«
»Was meinst du damit, ›nur ein Hund‹?«
»Es ist ein Hund. Ein Tier hat keine Seele, mach dir deswegen keine Gedanken.«
»Es ist kein es. Sie ist eine Hündin, und sie hat Schmerzen.«
Die Colliehündin starb in Brendas Armen, und ihre Liebe zu Barry erlosch. Sie schaute mit dunkelroten Wangen zu ihm hoch und sagte:
»Ich mache Schluss.«
»Womit machst du Schluss?«
»Mit deiner Kirche. Mit dir. Und ich wette, du wusstest nicht mal, dass ich Priesterin bin.«
»Ist mir egal. Wenn du so blöd bist, hau doch ab und sei Priesterin für dich allein.«
»Mach ich auch. Ach übrigens, als Priesterin stehen mir offiziell drei Wünsche zu, von denen ich bisher noch keinen ausgesprochen habe. Jetzt werde ich einen davon benutzen.«
»Mach das.« Barry kletterte wieder in seinen Yukon.
»Wunsch Nummer eins: Von jetzt an sollen alle Eltern ihre Kinder nicht mehr lieben.«
Barry war schon fast die dichtbefahrene Straße runter, und seine Fenster fuhren automatisch hoch, da hörte er, was sie sagte. »Was?!“
Er hielt den Wagen wieder an.
»Ab jetzt sollen alle Eltern ihre Kinder nicht mehr lieben.«
»Ah ja. Klar. Sollen sie«, meinte Barry und fuhr davon.
Brendas erster Wunsch als Priesterin ging in Erfüllung. Alle Eltern der Welt hörten auf, ihre Kinder zu lieben. Wenn ihre eigene Liebe tot war, fand Brenda, sollten auch andere Arten der Liebe sterben.
Es hatte keine einschneidenden Folgen - zunächst. Eigentlich veränderte sich die Welt gar nicht mal so sehr. Als der erste Tag zu Ende ging, wurde den Eltern von Kindern gleich welchen Alters nur schleichend dieses und jenes bewusst.
... Dich zu deinen ganzen Verabredungen und Sportveranstaltungen fahren? Das hättest du gern. Nimm den Bus. Dein Vater und ich gehen Schnorcheln.
... He, ich hab das Gefühl, ich verhätschel hier die Monster irgendeines anderen!
... Warum um alles in der Welt sollte ich die Kinder anrufen? Sie werden ja doch nur über ihre Partner lästern und mich um Geld anhauen.
... Schulabschluss? Na und? Ist doch nichts Besonderes.
... Keinen Hunger? Prima. Dann lass dein Scheißessen einfach stehen. Ich hab was Besseres zu tun, als deine Nahrungsaufnahme zu koordinieren.
Am zweiten Tag legten Leute Babys auf Kirchentreppen ab, und in aller Welt wurden die Elternsprechtage abgesagt.
Am dritten Tag drängten sich in allen Cocktailbars des Landes schwangere Frauen. Die Führer der Welt strichen den Muttertag und den Vatertag zugunsten staatlich subventionierter Reisen an sonnige Urlaubsziele.
Tag vier markierte den Beginn des Goldenen Zeitalters des Babysittens, da Babysitter jeden noch so unverschämten Preis verlangen konnten, und in den Sweatshops der Welt ignorierte man sämtliche Gesetze gegen Kinderarbeit, ohne dass auch nur ein einziger Mensch öffentlich dagegen protestierte.
Am fünften Tag rotteten sich Kinderlose zusammen und stellten die Eltern zur Rede, die sich nicht mehr um ihren Nachwuchs kümmerten. »Ihr seid gesetzlich verpflichtet, euch um eure Kinder zu kümmern.« - »Ach, wirklich? Na schön. Im Kühlschrank sind jede Menge Packungen Instantfrühstück mit Erdbeer- und Vanillegeschmack - außerdem können sie bis zum Jüngsten Tag Videospiele spielen. Wenn sie quengelig werden oder sich beschweren, können sie auf einer Matratze im Keller schlafen. Vielen Dank, dass Sie sich meinen Kopf zerbrochen haben. Wenn Sie jetzt so nett wären, sich zu verpissen, ich muss zu meinem Yogakurs.«
Selbstverständlich hörten auch Barry und seine Frau auf, ihre beiden Kinder zu lieben, auch wenn Barry das
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