Generation A
nicht erwartet hatte. Er dachte darüber nach, wie seltsam es war, jemanden erst so innig zu lieben und dann nicht einen Scheißdreck mehr auf ihn zu geben. Als er in dieser Woche von der großen Bedeutung der Liebe predigte, tat er es vor einer Gemeinde von Kinderlosen; alle Menschen mit Nachwuchs hatten ihre Kinder ausgesperrt, während sie selbst im Haus blieben und sich Eier Florentine zum Brunch machten. Die Nichteltern waren wütend und wussten nicht, was sie tun sollten, denn wenn sie sich selbst um die Kinder oder Babys kümmerten - und zwar ohne finanzielle Gegenleistung -, würden sie de facto selbst Eltern werden und ihre neuen Schützlinge prompt nicht mehr lieben können.
Am Ende der folgenden Woche rief Barry Brenda an und erklärte:
»Okay, du hast es dir verdient und darfst jetzt zu mir sagen: ›Ich hab dich ja gewarnt.‹«
»Darum ging's mir nicht.«
»Worum ging's dir dann?«
»Ich wollte, dass du begreifst, was du mir angetan hast. Du bist in deinem umweltschädlichen SUV weggefahren und hast mich buchstäblich in der Gosse zurückgelassen.«
»Bitte nimm deinen Wunsch zurück. Möchtest du, dass ich darum bettele?«
»Nein. So grausam bin ich nicht - nicht so grausam wie du. Einfach kaltblütig ein Tier umzubringen.«
»Brenda, bitte nimm deinen Wunsch zurück.«
»Das kann ich nur tun, indem ich einen anderen Wunsch äußere.
Ich wünsche mir, dass von jetzt an alle Kinder ihre Eltern nicht mehr lieben.«
»Du Miststück.«
Und so hörten alle Kinder der Erde, gleich welchen Alters, auf, ihre Eltern zu lieben. Aber diesmal waren die Auswirkungen subtiler, denn es ist nun mal ganz natürlich, dass Kinder ihren Eltern gegenüber undankbar sind und keinen Gedanken an sie verschwenden. Die kleineren Kinder waren wie eh und je weinerlich und trotzig. Ältere Kinder mit älteren Eltern verschoben den ohnehin schon herausgeschobenen Anruf bei den Alten einfach noch etwas weiter. Millionen kündigten ihre Jobs, die sie nur den Eltern zuliebe angenommen hatten. Grußkartenhersteller gingen pleite, und millionenfach töteten Kinder ihre Eltern, um schneller an ihr Erbe zu gelangen; weltweit ächzten die Gerichte unter einer Flut von Mordprozessen.
Barry rief erneut bei Brenda an. »Du hast gewonnen.«
»Ums Gewinnen geht's mir nicht. Es geht darum, dass du verstehst, was du mir und was du diesem Hund angetan hast.«
»Großer Gott, ich fasse es nicht, dass du immer noch auf dieser Geschichte rumreitest.«
Brenda seufzte. »Du bist so ein Arschloch.« Und dann, in einem unbesonnenen Moment, sagte sie: »Ich wünsche mir, dass jeder auf der Welt aufhört, irgend jemand anderen zu lieben.« Ihr Wunsch wurde erfüllt, und es war kein Wunsch mehr übrig, um etwas rückgängig zu machen. Die Welt verwandelte sich in einen Planeten von Einzelgängern - einen Planeten von Unabombern, von Eremiten und Einsiedlern, voll von Menschen, die verdammt waren zu vereinzeln, ohne die Möglichkeit, sich einsam zu fühlen, eine Welt ohne Hoffnung.
Gut, dachte Brenda. So gefällt es mir. Jetzt weiß jeder, wie es sich anfühlt, ich zu sein.
_
HARJ
»Das würde ich nicht gerade als Happyend bezeichnen. Arme Brenda und armer Barry. Wären ihre Selbstsucht und ihre Gier nach Macht und Kontrolle nicht gewesen, hätten sie vielleicht den Mut gefunden, die großen Veränderungen in ihrem Leben anzugehen«, sagte ich.
»Ich muss hinzufügen«, sagte Zack, »dass ich bei dieser Story keine Gehirnejakulation hatte.«
»Ihr könnt mich beide mal«, murrte Diana. »Unhappyends sind genauso wichtig wie Happyends. Sie sind ein effizientes Instrument zur Vermittlung notwendiger Information für den Kampf ums Dasein. Euer Gehirn braucht sie, um Karten von der Welt zu erstellen, Karten, die euch verraten, welche Orte und Menschen ihr meiden solltet.«
»Wie dem auch sei, ich werde euch nun meine Geschichte erzählen, die in komischer Weise mit deiner verknüpft ist, Diana. Sie heißt: ›Der Mann, der seine Geschichte verlor‹.«
DER MANN, DER SEINE GESCHICHTE VERLOR
von Harj Vetharanayan
Es war einmal ein Mann, der seine Geschichte verlor. Sein Name war Craig, und er sah genau wie du aus - und auch sein Leben war deinem recht ähnlich -, nur ging ihm irgendwann darin seine Geschichte verloren. Damit meine ich, dass er nicht mehr den Eindruck hatte, als habe sein Leben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Ja, ich weiß, wir alle werden geboren, machen dies und das, und dann sterben wir, doch irgendwo
Weitere Kostenlose Bücher