Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
Vom Netzwerk:
Hennessy-Flasche vom Fußboden, schraubte den Deckel ab und goß vorsichtig Wodka aus einer Literflasche Absolut hinein, die tatsächlich noch im Schrank bei den Pilzen gestanden hatte.
    »Du bist doch auch so ein Fernsehfritze«, sagte er, »da hab ich einen schönen Witz für dich. Fellatio mit Gesang im Dunkeln, kennst du den?«
    »Nein.«
    »Also da kommt ein Mann in den Puff. Guckt auf die Preisliste und sieht, die teuerste Nummer ist Fellatio mit Gesang im Dunkeln. Kostet fünfzehnhundert. Komisch! denkt er. Was könnte das sein? Und er kauft sich die Nummer. Geht rein, Darkroom, alles wie versprochen: Jemand bläst ihm einen und singt dabei ein Lied. Wie er wieder rauskommt, denkt er: Das kann doch nicht wahr sein! Er geht in den Gemischtwarenladen und kauft sich eine Taschenlampe. Dann pumpt er sich noch mal fünfzehnhundert zusammen und geht zurück in den Puff. Die Nummer läuft wie beim erstenmal. Und wie er knapp davor ist zu kommen, holt er die Taschenlampe raus und knipst sie an. Und er sieht sich in einem riesigen, runden Zimmer stehen, und an der Wand steht ein Podest, und auf dem Podest liegt ein großes Glasauge.«
    Girejew sagte nichts mehr.
    »Ja, und?« fragte Tatarski. »Wie weiter?«
    »Nix weiter. Das ist der Witz.«
    »Äh, wie . . . ah ja. Ich glaub, ich hab ihn. . . Was meinst du: Ob damit das Auge auf dem Dollarschein gemeint ist?«
    »Darüber hab ich noch nicht nachgedacht.«
    »Naja«, sagte Tatarski. »Ehrlich gesagt, ist mir diese Art Humor zu finster. An irgendwas muß der Mensch doch glauben.«
    »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagte Girejew mit Schulterzucken. »Was schreibst du da eigentlich auf? Den Witz oder die fünf Arten fernzusehen?«
    »Nein«, sagte Tatarski. »Etwas Geschäftliches.«
    Plakatidee! Schmutziges Zimmer mit Spinnweben. Auf dem Tisch eine Apparatur zum Schnapsbrennen, am Tisch ein Alkoholiker in abgerissener Kleidung. Er ist dabei, sein Endprodukt aus einer großen Absolut-Flasche in kleine Hennessy-Flaschen umzufüllen. Slogan:
    ABSOLUT HENNESSY
    (Zuerst den Subvertreibern von Absolut und Hennessy anbieten, bei ausbleibender Resonanz auch an Finlandia, Smirnoff, Johnny Walker etc. geben)
    »Da!« sagte Girejew und reichte Tatarski das Paket und die Flasche. »Aber laß uns eine Abmachung treffen. Du kommst nach dem Essen nicht mehr hierher, okay? Mir langt es immer noch vom letzten Jahr.«
    »Versprochen«, sagte Tatarski. »Ist es eigentlich weit bis zu dieser halbfertigen Raketenabwehrbasis? Ich hab sie heute von der Straße her gesehen.«
    »Das ist ganz in der Nähe. Du gehst quer über das Feld, da fängt ein Waldweg an. Dann siehst du einen Drahtzaun, an dem gehst du lang. Drei Kilometer vielleicht. Sag bloß, du willst dort deinen Spaziergang machen?«
    Tatarski nickte.
    »Ich weiß nicht, ob das das richtige ist. Nüchtern ginge es noch, aber im Pilzrausch? Die alten Leute sagen, es wäre ein unguter Ort. Wobei ich freilich nicht wüßte, wo man in Moskau und Umgebung einen guten findet.«
    In der Tür drehte Tatarski sich um und faßte Girejew bei den Schultern.
    »Weißt du, Andrej«, sagte er, »ich möchte nicht, daß es pathetisch klingt, aber ich muß mich bei dir wirklich bedanken!«
    »Wofür?«
    »Für die Möglichkeit, ab und zu ein paralleles Leben zu leben. Das echte wäre sonst manchmal nicht auszuhalten!«
    »Naja«, sagte Girejew und wandte den Blick zur Seite. »Tut man doch gern.«
    Er war sichtlich gerührt.
    »Viel Erfolg im Geschäft!« sagte Tatarski und war draußen.
    Er lief schon eine gute halbe Stunde den Drahtzaun entlang, als die Pilze zu greifen anfingen. Zuerst die bekannten Symptome: das wohlige Kribbeln in den Fingern und so weiter. Dann tauchte hinter den Büschen am Wegrand der Mast mit dem Schild Kein Feuer anzünden! auf, den er damals mit Hussein verwechselt hatte. Wie zu erwarten, waren bei Tageslicht keinerlei Ähnlichkeiten festzustellen. Dennoch gedachte Tatarski der schönen Geschichte vom König der Vögel Simurgh beinahe mit Wehmut.
    »Simurgh oder Sirruf, wo ist da der Unterschied?« sprach eine bekannte Stimme in seinem Kopf »Dialektale Varianten, weiter nichts. Hast du schon wieder zugelangt?«
    Geht los! dachte Tatarski. Das Tier ist da.
    Doch ließ der Sirruf den Rest des Weges bis zum Turm nicht wieder von sich hören. Das Tor, über das Tatarski seinerzeit geklettert war, stand diesmal offen. Auf dem Gelände keine Menschenseele; die Wohnwagen verrammelt, am Unterstellpilz für den Wachsoldaten fehlte

Weitere Kostenlose Bücher