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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Tatarski. »In Rastorgujewo.«
    »Na, weißt du«, johlte Morkowin, »diese Arschlöcher, die haben ihre Abreibung, und bestimmt kriegt jeder von denen noch zehn Jahre Knast aufgebrummt. Asadowski hat sich totgelacht nach dem Verhör, er hat sich nicht wieder eingekriegt vor Lachen! Du hättest ihm allen Streß von der Seele genommen, sagt er. Den nächsten Orden kriegst du mit Rostropowitsch ex aequo. Soll ich dir ne Kutsche schicken?«
    Doch kein Rausschmiß! dachte Tatarski und spürte, wie sich vom Herzen her eine angenehme Wärme in seinem Körper ausbreitete. Kein Rausschmiß und keine Hinrichtung.
    »Nein, danke«, sagte er. »Ich fahre erst mal nach Hause. Bin etwas mit den Nerven runter.«
    »Ach ja? Na, kann ich verstehen«, sagte Morkowin. »Fahr nach Hause, und leg dich aufs Ohr. Ich muß jetzt los – hier geht gleich total die Post ab! Aber komm morgen nicht zu spät, wir haben einen wichtigen Termin. Fernsehzentrum Ostankino. Da kannst du übrigens Asadowskis Sammlung sehen. Die spanische Kollektion. Mach’s gut!«
    Tatarski steckte das Telefon ein und ließ einen abwesenden Blick durch das Zimmer gehen.
    »Sieht so aus, als würde ich als Hamster gehalten«, sagte er nachdenklich.
    »Wie?«
    »Egal. Wo warst du stehengeblieben?«
    »Ja, kurz gesagt, ist es so, daß die ganze sogenannte Magie des Fernsehens aus psychischer Resonanz besteht«, setzte Girejew seinen Vortrag fort. »Viele Leute sehen gleichzeitig dasselbe. Und wenn ein Profi fernsieht, dann weiß er . . .«
    »Profis sehen überhaupt nie fern, das laß dir gesagt sein«, fiel Tatarski ihm ins Wort und konnte den Blick nicht von einem eben auf dem Hosenbein seines Gesprächspartners entdeckten Flicken wenden.
    »Dann weiß er, daß er möglichst auf die Randzonen des Bildschirms sehen muß und auf gar keinen Fall in die Augen des Moderators, sonst ist das nächste Magengeschwür eine Frage der Zeit, oder man wird schizophren. Am sichersten ist es, den Fernseher gleich umzudrehen, wie ich es tue. Das ist wie – ohne Gleichschritt marsch. Und wenn es dich interessiert, kann ich dir noch die fünfte Art fernzusehen erklären, die die höchste und geheimste ist.«
    Wie es so geht: Du redest mit einem Menschen, meinst seinen Worten mit Gewinn zu folgen, denn es scheint etwas Wahres an ihnen zu sein – und plötzlich siehst du, daß der andere ein altes T-Shirt anhat, Schuhe mit schiefgetretenen Absätzen, am Knie gestopfte Hosen, und die Möbel in seinem Zimmer sind verschlissene Billigware. Du schaust noch genauer hin und entdeckst überall die zuvor übersehenen Zeichen beschämender Armut, und es wird dir klar: Alles, was der andere im Leben erfahren und unternommen hat, wurde nicht von dem einzigartigen Erfolg gekrönt, den zu erringen du dir eines Frühlingsmorgens in den Kopf gesetzt hattest, mit zusammengebissenen Zähnen, mit dem festen Vorsatz, nur ja kein Loser zu sein, auch wenn du damals noch nicht wußtest, in welchem Spiel und gegen welchen Gegner. Und obwohl du diesbezüglich immer noch nicht viel schlauer bist, verlierst du augenblicklich das Interesse an dem, was der Mann dir erzählt, und du überlegst, was du ihm zum Abschied Nettes sagen könntest und wie den Ort so schnell wie möglich verlassen, um endlich wieder deinen Geschäften nachzugehen.
    Solcherart wirkt in unseren Seelen der verdrängende Wow!-Faktor. Tatarski, der ihm unversehens erlegen war, ließ sich jedoch nicht anmerken, daß das Gespräch ihn nicht länger interessierte; ihm war ein Gedanke gekommen. Er wartete, bis Girejew fertig war, streckte sich und gähnte, um dann die beiläufige Frage zu stellen:
    »Sag mal, Fliegenpilze hast du nicht zufällig im Haus?«
    »Doch«, sagte Girejew. »Aber mit dir zusammen nie wieder. Du mußt schon entschuldigen, aber nach deinem Auftritt damals . . .«
    »Vielleicht gibst du mir welche mit?«
    »Warum nicht. Du mußt mir nur versprechen, sie nicht hier zu essen.«
    Girejew war aufgestanden und zu einem schief hängenden Wandschrank gegangen, dem er ein kleines, in Zeitungspapier gewickeltes Paket entnahm.
    »Für einen reicht es gerade. Wo willst du damit hin? In die Stadt?«
    »Nein«, erwiderte Tatarski, »Moskau zieht mich runter. Ich geh in den Wald. Wenn ich schon mal im Grünen bin . . .«
    »Da hast du recht. Warte, ich füll dir noch ein bißchen Wodka ab. Das lindert den Einstieg. Pur kann das Zeug mächtig aufs Hirn schlagen. Nein, keine Angst, ich hab noch guten da.«
    Er nahm eine leere

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