Generation P
automatisch eine umfassende Konversion erwirkt. Umgekehrt kann eine Kampagne, die sich darauf konzentriert, die Qualitäten des Produkts klug ins Bild zu setzen und auf diesem Weg für eine hohe Konversionsquote sorgt, nicht mit einer hohen Infiltrationsquote rechnen. Aus diesem Grund schlagen wir an dieser Stelle eine gewissermaßen binär wirkende Werbestrategie vor, in der die Funktionen von Infiltration und Konversion durch unterschiedliche Informationsblöcke bedient werden. Betrachten wir diese Strategie am Beispiel einer Werbekonzeption für Nescafe Gold.
Schritt eins der Kampagne richtet sich ausschließlich auf die Infiltration der Produktmarke im Bewußtsein möglichst vieler Leute. (Wir gehen davon aus, daß hierfür alle Mittel erlaubt sind.) Beispielsweise ließe sich die fiktive Unterminierung einiger – möglichst vieler – größerer Einkaufszentren und Bahnhöfe inszenieren. Bei den Dienststellen des Ministeriums des Inneren und den Geheimdiensten gehen Anrufe einer anonymen terroristischen Organisation ein, mit denen die Anbringung von Sprengsätzen kundgegeben wird. Bei Durchsuchungen an den von den Terroristen angegebenen Orten kann die Polizei allerdings nur einen größeren Posten in Tüten und Taschen verpackter Nescafé-Gold-Dosen sicherstellen. Am nächsten Morgen bringen Presse, Rundfunk und Fernsehen diese Nachricht, womit die Infiltrationsetappe als abgeschlossen betrachtet werden kann. (Ihr Erfolg ist direkt abhängig vom Ausmaß, sprich: der Massenwirksamkeit der Aktion.) Unmittelbar im Anschluß wird die zweite, auf Konversion abzielende Etappe gestartet. Dabei greift die Kampagne auf die klassischen Mittel zurück; als Bindeglied zwischen beiden Strategien fungiert nur der Claim: Nescafe Gold – die Geschmacksexplosion! Hier das Treatment des entsprechenden Werbespots:
Auf der Parkbank einer kleinen Grünanlage sitzt ein junger Mann in rotem Jogginganzug, mit harten, entschlossenen Gesichtszügen. Jenseits der Straße vor einer schicken Villa parken ein Mercedes 600 und zwei Jeeps. Der junge Mann sieht auf die Uhr. Schnitt. Einige Männer in strengen schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen – als Security Guard zu erkennen – verlassen die Villa. Sie postieren sich zu verschiedenen Seiten der Limousine, einer erteilt ein Kommando ins Funkgerät. Aus der Villa tritt ein kleiner, dicker Mann mit verderbtem Gesicht, sieht sich ängstlich um und eilt die Stufen zum Wagen hinunter. Als er hinter den getönten Scheiben des Mercedes verschwunden ist, steigt die Guard in die Jeeps. Der Mercedes fährt an, in diesem Moment erfolgen kurz nacheinander drei mächtige Detonationen. Trümmer fliegen in alle Richtungen, die Stelle, wo eben noch die Autos standen, ist in Qualm gehüllt. Schnitt. Der junge Mann auf der Bank entnimmt seiner Tasche eine Thermoskanne und einen roten Becher mit Goldrand. Er gießt sich einen Kaffee ein, schließt beim ersten Schluck genußvoll die Augen. Stimme aus dem Off:
Gut eingerührt.
NESCAFÉ GOLD.
Die Geschmacksexplosion!
Doch nicht nur für den Job ließ sich der Begriff der Konversion gebrauchen. Tatarski sah sich zu prinzipielleren Erwägungen darüber veranlaßt, wen er da eigentlich wohin konvertieren ließ und, was noch viel wichtiger war, von wem er selbst konvertiert wurde.
Das erste Mal suchten ihn diese bohrenden Fragen heim, als er einen Artikel über sogenannte Kultpornofilme in die Finger bekam, mit einer plüschigen Nabokov-Zeile als Titel: Es keimt im schwellenden Kitzel die Lust. Sasha Blo hieß der Verfasser. Dem Text nach zu urteilen, handelte es sich hier um ein abgebrühtes, blasiertes Individuum unbestimmten Geschlechts, das zwischen den Orgien zur Feder griff, um seine Ansichten jenen paar Dutzend gefallenen Übermenschen kundzutun, die ihm gewachsen waren. Denn daran ließ der gewählte Ton keinen Zweifel: De Sade und Sacher-Masoch hätten es in Sasha Blos Klub nicht einmal zum Türsteher gebracht, und Charlie Manson wäre mit Ach und Krach zum Fackelhalten bestellt worden. Kurz: Dieser Artikel war der blanke Sündenapfel – so perfekt und makellos, daß Ihre Hoheit die biblische Schlange höchstselbst sich herabgelassen haben mußte, ihn in den Zustand der Wurmstichigkeit zu versetzen.
Tatarski war jedoch lange genug im Geschäft, um erstens zu wissen, daß Äpfel dieser Sorte gerade mal dazu taugen mochten, ein paar Vorstadt-Teenies aus dem Paradiesgärtlein ihrer Kindheit zu locken, und um zweitens an der Existenz irgendwelcher
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