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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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»Black public relations, uniting all nations . . .«, hörte er im Geiste sogleich einen Nachwuchsbarden vom Literaturinstitut im Brustton singen. Dabei steckte in diesem Piratenwort kein Funken Romantik, und auch alle negativen Konnotationen, mit denen es Scientologen und andere Ron-Hubbard-Epigonen eine Zeitlang befrachtet hatten (jede gegen sie geführte Medienattacke war ihnen »black PR«), schienen längst passe.
    Das Gegenteil war der Fall. Werbung hing wie Haken und Öse mit dem Umlauf von Black Cash zusammen – was sich letztlich über alles Menschenwerk in den kalten russischen Weiten sagen ließ. Konkret bedeutete dies zweierlei. Erstens hintergingen Journalisten gern einmal die Blätter, für die sie schrieben, und ließen sich Black Cash zuschieben von Leuten, die scheinbar ganz zufällig in ihr Blickfeld geraten waren – und nicht nur der Restaurantbetreiber mußte löhnen, wenn er wollte, daß man seinen Laden mit dem Maxim verglich, sondern ebenso Autoren, die Wert darauf legten, mit García Már-quez verglichen zu werden, wovon im übrigen der Grat zwischen Literatur – und Restaurantkritik immer schmaler und schattenhafter wurde. Zweitens betrogen Werbetexter mit Vorliebe ihre Agenturen, indem sie sich von ihnen Kunden besorgen ließen, mit denen sie dann hinter dem Rücken des Chefs Abmachungen trafen. Kaum spürte Tatarski ein wenig festen Boden unter den Füßen, betrat er schüchtern auch dieses Feld – und hatte sogleich Erfolg.
    Anstandslos kaufte ein Zwischenhändler für Diesel-Jeans den bestellten Entwurf, den Tatarski nach russischen Folkloremotiven gestaltet hatte: eine grobe, fast wie ein Volksbilderbogen geschnitzte Arbeit à la Nje-Cola für Nikola. Folgende Szene: Auf blühender Wiese vor großem Heuschober stehen zwei dicke, schnurrbärtige Kerle, beide splitternackt (da grummelte wohl noch das ferne Echo eines gescheiterten Tramps westwärts); Halme im Brusthaar deuten darauf hin, daß die Herren soeben dem Schober entstiegen sind. Ihre Scham mit Händen bedeckend, schauen sie bedeppert in die Kamera. Der Text lautete:
    Tschuk und Gek, die Stiesel,
Teilen sich das Liesel.
Doch jetzt ist das Liesel weg.
Und die Diesel auch. 0 Schreck!
    Normalerweise bekam es Tatarski immer nur mit irgendwelchen Rädchen im PR-Getriebe zu tun, diesmal aber wurde er sogleich durchgewinkt zum Teilhaber der Firma, die sich anschickte, Subexklusivvertreiber für Diesel zu werden. Vor ihm saß ein verschlossener, korrekter junger Mann, der die zwei mitgebrachten Seiten ein um das andere Mal las, sich räusperte, nachdachte und dann der Sekretärin Anweisung gab, den Vertrag vorzubereiten. Eine halbe Stunde später stand Tatarski verblüfft wieder auf der Straße, in der Innentasche seines Jacketts klemmte ein Kuvert, darin zweieinhalbtausend Dollar in bar und der Vertrag, mit dem Tatarski der Firma des jungen Mannes alle Rechte auf sein Meisterwerk vorbehaltlos übertrug.
    Der Deal war, an den neuen Zeiten gemessen, einfach phantastisch zu nennen. Bemüht, seine Glückssträhne nicht aus den Fingern zu lassen, verfertigte Tatarski unverzüglich ein weiteres Stück aus derselben Reihe. Der Inhalt war geschmacklos (was den Marktwert ja nicht herabsetzte), die folkloristische Umsetzung konnte nicht platt genug sein:
    Ein Collier, ach, von De Beers . . .
Michail, besorgst du mir‘s?
Und ein Armreif von Armani.
Heissa! Vögeln kann der Dani!
    Es war ein hundertprozentiger Klon – bis hin zu der Tatsache, daß der Markenname einen vulgären Reim nach sich zog. Überhaupt das Reimen: Tatarski konnte es sich kaum mehr vorstellen, noch vor kurzem mit der ewigen Suche nach sinnlosen Reimen beschäftigt gewesen zu sein, von denen sich die Poesie der Marktwirtschaft längst verabschiedet hatte. Man mochte es einfach nicht glauben: War das Leben vor Jahren wirklich so nachgiebig und zu nichts verpflichtend gewesen, daß man seine mentalen Kräfte kilowattweise in absolut unverkäuflichen, toten Pirouetten des Geistes verausgaben konnte?
    Der Vierzeiler No. 2 tönte jedenfalls übertrieben genug, daß er – nach allen irrationalen Begriffen, die das Moskauer Leben steuerten – glatt hätte durchgehen müssen. Doch irgendwie wollte es ihm nicht gelingen, bis zu den De-Beers-Vertretern vorzudringen, nicht einmal in ihre PR-Abteilung; bei jedem Sprungversuch hatte Tatarski immer nur das Gefühl, mit den Händen in ein höflich schweigendes Vakuum zu greifen. Armani, so stellte sich heraus, hatte überhaupt nicht

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