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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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– wohl um die Jury in Cannes damit zu ködern); schließlich riß die Hand des Meuchlers den Säbel zurück. Im nächsten Moment sprang die Szene zum Anfang zurück: Erneut wurde der Säbel dem Opfer an den Hals gelegt. Das Band lief in Endlosschleife. Sofort hatte Tatarski das Gefühl, einen Werbefilm zu sehen, wie sie gern an Ausstellungsständen gezeigt werden. Und es war ein Werbefilm: Hussein hatte offenbar für die neuen Medien Feuer gefangen, er war dabei, sich mit Hilfe einer optischen Lösung im Bewußtsein des Kunden zu positionieren, er demonstrierte ihm, welche Serviceleistungen seine Firma anbot. Und der Kunde schien mit der Botschaft des Films und Husseins Firma als solcher bereits vertraut zu sein; er ließ den Kopf auf die Brust sinken.
    »Guck hin, guck hin, verdammter Clown«, sagte Hussein, packte ihn bei den Haaren und drehte das Gesicht gewaltsam zum Bildschirm. »Dir wird bei mir das Lachen noch vergehen.«
    Der arme Kerl stieß schwache, unartikulierte Laute aus; daß ihm dabei dieses Grinsen ins Gesicht geschrieben stand, weckte in Tatarski eine irrationale Antipathie.
    Hussein ließ den Mann los, rückte die Mütze auf dem Kopf zurecht und wandte sich an Tatarski:
    »Nur einen klitzekleinen Anruf müßte er erledigen. Will er nicht. Quält sich und andere. Gibt schon komische Menschen. Und du, wie geht‘s dir so? Siehst nicht gut aus. Entzug?«
    »Nein«, sagte Tatarski. »Kommt vom Alkohol.«
    »Na, sag das doch gleich.«
    Hussein ging zum Safe, entnahm ihm eine Flasche Hennessy und zwei nicht besonders saubere Zahnputzgläser.
    »Das Beste für die Gäste«, sagte er und goß ein.
    Tatarski stieß mit ihm an und trank.
    »Was machst du sonst?« fragte Hussein.
    »Ich arbeite.«
    »Wo?«
    Er mußte etwas sagen. Und es mußte etwas sein, das Hussein davon abhielt, die Ablöse für den Ausstieg aus dem Geschäft zu verlangen. Denn Tatarski war gerade nicht flüssig. Seine Augen blieben auf dem Bildschirm hängen, wo einer dem Tod zum x-ten Mal ins Auge blickte. So fix nieten die einen um! dachte er. Und keiner legt einem Blumen aufs Grab.
    »Willst du nicht sagen, wo?« fragte Hussein nach.
    »Im Blumenbusineß«, sagte Tatarski unerwartet für sich selbst. »Bei den Aserbaidschanern.«
    »Bei den Aserbaidschanern?« fragte Hussein ungläubig zurück. »Bei was für Aserbaidschanern?«
    »Rafik«, gab Tatarski schlagfertig Auskunft. »Rafik und Eldar. Wir chartern einen Flieger, liefern Blumen nach hier, und rückwärts laden wir – na, du weißt schon. Das Chartern mache natürlich nicht ich. Ich bin mehr so Handlanger.«
    »Ach so? Und wieso konntest du einem das nicht ordentlich erklären? Schmeißt einfach die Schlüssel hin?«
    »Ich war besoffen«, sagte Tatarski.
    Hussein dachte nach.
    »Was soll man dazu sagen. An sich sind Blumen ja was Scho-nes. Ich hätte nichts gesagt, wenn du ordentlich Bescheid gegeben hättest, von Mann zu Mann. Aber so. So muß ich wohl mit deinem Rafik ein Wörtchen reden.«
    »Er ist in Baku«, sagte Tatarski. »Eldar auch.«
    An seiner Hüfte piepste der Pager.
    »Wer?« fragte Hussein.
    Tatarski schaute auf die Anzeige und sah Chanins Nummer.
    »Bloß ein Bekannter. Hat nichts zu tun mit. . .«
    Wortlos streckte Hussein die Hand aus, Tatarski legte den Pager gehorsam hinein. Hussein holte sein Handy hervor, wählte die Nummer und sah Tatarski vielsagend an. Am anderen Ende wurde abgenommen.
    »Hallo«, sagte Hussein, »mit wem spreche ich? Chanin? Servus, Chanin. Die kaukasische Landsmannschaft am Apparat. Hussein ist mein werter Name. Ich muß dich leider mal stören, hier bei mir sitzt dein Freund Wladi, der hat ein Problem – er schuldet uns Geld. Weiß nicht, wo hernehmen. Ich soll dich anrufen – ob du ihm vielleicht aushelfen kannst. Kutschst du mit ihm Blumen durch die Botanik?«
    Er zwinkerte Tatarski zu, horchte eine Minute oder zwei in den Apparat und sagte nichts mehr.
    »Hä?« machte er schließlich und zog die Stirn in Falten. »Ich will wissen, ob du auch Blumen transportierst. Wie, metaphorische? Rose der Perser, was soll das sein? Ariosto? Kenn ich nicht. Wer? Wen? Na los, gib mir deinen Freund. Ja. Ich höre.«
    Husseins Gesichtsausdruck ließ erkennen, daß am anderen Ende der Leitung unerhörte Dinge gesagt wurden.
    »Das ist mir scheißegal, wer du bist«, versetzte Hussein nach längerer Pause. »Schick her, wen du willst. Ja. Von mir aus ein Panzergeschwader OMON-Wichser. Du mußt ihnen nur stecken, daß hier kein angeschossner

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