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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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den Wagen. Hussein, der rauchend vor der Tür stand, schien nichts mitbekommen zu haben. Der Fremde und Chanin saßen schon im Auto; kaum war Tatarski vorn eingestiegen, fuhren sie los.
    »Macht euch bekannt«, sagte Chanin. »Babi Tatarski, einer unserer Top-Experten. Und das«, Chanin deutete mit dem Kopf auf den am Steuer sitzenden Fremden, »ist Bubi. Klarname Wowa. Genannt: der Nietzscheaner.«
    »Ach was, alberner Quark«, brummelte Bubi und zwinkerte. »Das ist lange her.«
    »Er ist ein Mann mit sehr wichtiger ökonomischer Funktion, mußt du wissen. Gewissermaßen eine Schaltstelle des liberalen Modells in Ländern mit niedriger Jahresdurchschnittstemperatur. Verstehst du bißchen was von Marktwirtschaft?«
    »So viel«, schätzte Tatarski ein und hielt Daumen und Zeigefinger im Millimeterabstand gegeneinander.
    »Dann dürfte dir klar sein, daß auf dem absolut freien Markt per definitionem auch Dienstleistungen zur Begrenzung der absoluten Freiheit im Angebot sein müssen. Bubi ist so ein Limiten Unser Schutzengel gewissermaßen.«
    Als der Wagen an der Ampel hielt, traf Tatarski ein Blick aus Bubis ausdruckslosen Äuglein. Nichts an dem Mann war bubilike: weder die Maße noch das Alter. Er hatte die unausgebackene Pfannkuchenvisage eines gewöhnlichen Banditen, nicht einmal besonders abscheulich. Als er Tatarski genügend gemustert hatte, stellte er eine Frage.
    »Um’s kurz zu machen: Kennst du dich aus mit der russischen Idee?«
    Tatarski fuhr zusammen und riß die Augen auf
    »Nein«, sagte er. »Darüber hab ich noch nie nachgedacht.«
    »Das kann nicht schaden«, beeilte Chanin sich zu sagen. »Auf weißem Papier schreibt sich’s besser.«
    »Wieso sollte ich denn?« fragte Tatarski.
    »Du hast einen Entwurf zu liefern.«
    »Für wen?«
    Chanin deutete auf Bubi.
    »Hier sind Block und Stift, hör ihm aufmerksam zu und mach dir Notizen. Das muß als Briefing reichen.«
    »Gibt nichts zuzuhören«, brummte Bubi. »Ist doch sowieso jedem klar. Babi, wenn du im Ausland bist, fühlst du dich dort gedemütigt?«
    »Ich war noch nie im Ausland«, gab Tatarski zu.
    »Das machst du richtig. Wenn du hinfährst, hast du den Salat. Das sag ich dir, die nehmen uns als Menschen nicht für voll, für die sind wir der letzte Dreck. So was wie Tiere! Klar, wenn du in einem von ihren Hiltons eine ganze Etage mietest, dann stehen sie Schlange, dir einen zu blasen. Aber sobald du zu irgendeinem Gabelfrühstück auftauchst oder sonst in Gesellschaft, reden sie mit dir wie mit einem Affen. › Warum haben Sie so ein großes Kreuz um den Hals hängen, sind Sie ein Theologe? ‹ Komm du mal nach Moskau! denk ich dann, da kriegst du den Theologen in den Arsch ge. . .«
    »Die Frage ist: Wie kommt das?« unterbrach ihn Chanin. »Hast du dafür eine Erklärung?«
    »Hab ich«, sagte Bubi Wowa. »Das kommt, weil wir uns von denen voll versorgen lassen. Wir lassen uns von denen die Filme andrehen, die Schlitten – sogar ihren Fraß. Wir machen eigentlich gar nichts selber, außer das große Geld. Und das besteht ja auch aus Dollars – man fragt sich, wie wir’s eigentlich machen. Aber wir machen‘s, umsonst gibt’s uns keiner. Also, ich bin ja kein Ökonom, aber daß an der Sache was faul ist, das spür ich genau. Irgendein Beschiß steckt dahinter.«
    Bubi verstummte und hing seinen Gedanken nach. Nach kurzer Zeit, Chanin wollte gerade etwas sagen, platzte es erneut aus ihm heraus:
    »Die denken doch, wir wären kulturell hinterm Mond. Wie die schwarzen Neger in Afrika, so ungefähr! Kroppzeug, das Geld hat. Schweine mit Bankkonto. Ochsen. Dabei sind wir wer – Rußland! Man möchte es nicht für möglich halten. Eine Großmacht!«
    »Und ob«, sagte Chanin.
    »Wir haben bloß vorübergehend unsere Wurzeln verloren in dem ganzen Tohuwabohu. Weißt ja selber, wie das Leben ist – man hat nicht mal Zeit zum Furzen. Aber das heißt doch nicht, daß wir nicht wüßten, wo unsere Wiege steht. Wir sind doch keine dahergelaufenen Neger.«
    »Bitte nicht so viel Emotionen«, sagte Chanin. »Mach dem Jungen klar, was du von ihm willst. Ohne Schwulst und Soße.«
    »Gut, dann erklär ich dir jetzt die Sache mal klipp und klar«, fing Bubi von vorne an. »Unser nationales Busineß erobert die internationale Arena. Da ist alles mögliche Geld im Umlauf: tschetschenisches, amerikanisches, kolumbianisches – du verstehst. Die Kohle an sich macht erstmal keinen Unterschied. Aber hinter jeder Sorte Kohle steckt eine nationale Idee.

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