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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Gurdjieff zurück, erläuterte der Mann, man zähle sie zu den sogenannten Wegen des schlauen Mannes. Dabei habe man sich als Maschine zu betrachten, ausgerüstet mit Rezeptoren, Nervenenden und einem höheren Kontrollzentrum; letzteres signalisiere, wenn jegliche Zuführung von Alkohol zu sofortigem Erbrechen führt. Was tut der schlaue Mann? Er überlistet die Rezeptoren seiner Maschine. Praktisch sah das Ganze so aus: Man nimmt den Mund voll Limonade. Hierauf gießt man ein Glas voll Wodka und führt es sich an die Lippen. Sodann schluckt man die Limonade, und noch während die Rezeptoren der Zentrale melden, daß Limonade kommt, kippt man den Wodka hinterher. Der Körper schafft es nicht, rechtzeitig zu reagieren, weil sein Geist einigermaßen lahmt. Doch gebe es eine Winzigkeit zu beachten, sagte der Mann. Bahnt man dem Wodka nicht mit Limonade den Weg, sondern mit Coca-Cola, liegt die Wahrscheinlichkeit zu kotzen bei fünfzig Prozent. Und bei Verwendung von Pepsi-Cola kotzt man unweigerlich.
    Wäre doch was fürs Werbekonzept! dachte Tatarski grimmig, während er die Küche aufsuchte. In einer der Wodkaflaschen fand sich noch ein Rest. Er goß ihn in ein Glas und drehte sich zum Kühlschrank um: Daß dort außer Pepsi nichts zu finden sein mochte (diesbezüglich blieb er den Idealen seiner Generation treu), war ein angsteinflößender Gedanke. Glücklicherweise lag im unteren Fach noch eine Büchse 7-Up-Limo-nade; jemand hatte sie irgendwann zum Wodka mitgebracht.
    »Seven-Up«, flüsterte Tatarski und leckte sich die trockenen Lippen. »The Uncola.«
    Die Operation glückte. Er kehrte ins Wohnzimmer zurück, trat zum Tisch und fand dort einige krakelig beschriebene Blätter vor. Der gestrige Anfall religiösen Hochgefühls hatte augenscheinlich eine ganze Serie von Texten hervorgebracht, Tatarski konnte sich nicht erinnern, sie niedergeschrieben zu haben. Obenan stand in noch halbwegs akkuraten Druckbuchstaben das folgende:
    COCKTAIL »EWIGES LEBEN«
Mensch!. Begehre nichts für dich selbst!
Wenn die Massen zu dir kommen,
gib dich ihnen hin ganz ohne Vorbehalt.
    Du sagst, du wärest noch nicht bereit?
Wir glauben, morgen wirst du es sein!
Und bis dahin: BOMBAY SAPHIRE –
auf Tonic, Juice oder einfach einem Würfel Eis.
    So ging es fröhlich weiter; am Ende stand ein Slogan, den ihm die Große Himmelsagentur übermittelt haben mußte, als das letzte Stadium des Rausches erreicht war – es dauerte mehrere Minuten, bis Tatarski seine eigenen Krakel entziffert hatte. Jedenfalls mußte der Gipfel der Anbetungsekstase überschritten gewesen sein, die Rückkehr zum pragmatischen Rationalismus war erfolgt:
    Do it yourself, motherfucker.
REEBOK
    Das Telefon klingelte. Chanin! durchzuckte es Tatarski, während er zum Hörer griff. Doch es war Girejew.
    »Babi! Wie geht’s?«
    »Geht so«, erwiderte Tatarski.
    »Entschuldige wegen gestern. Dein Anruf kam ziemlich spät. Meine Frau war sauer. Hast du es hinter dir?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Weißt du, was ich dir noch erzählen wollte? Dich als Profi wird das interessieren. Wir hatten gerade Besuch von einem Lama – Urgan Dshambon Tulku der Siebte, von der Gelugpa-Sekte. Er hat eine Vorlesung gehalten – zum Thema Werbung. Ich hab einen Mitschnitt auf Kassette, den geb ich dir mal. Er ist vom Hundertsten ins Tausendste gekommen, aber der Hauptgedanke war interessant: Vom Standpunkt des Buddhismus hat Werbung nämlich einen ganz einfachen Sinn und Zweck. Sie soll überzeugen, daß der Verbrauch des beworbenen Produkts geradewegs zur erhabenen und guten Wiedergeburt führt. Und zwar nicht erst nach dem Tode, sondern gleich nach dem Verzehr. Ein bißchen Orbit sugar free kauen – willkommen im Club der Asura! Wrigley‘s in den Mund – und schon bist du ein Gott. Mit blendend weißen Zähnen.«
    »Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, wovon du redest«, sagte Tatarski, den der abklingende Brechreiz immer noch beschäftigte.
    »Na, der Lama meint, bei der Werbung komme es darauf an, die Leute mit anderen Leuten zu konfrontieren, denen man ansieht, daß sie schon eingewickelt worden sind und im Besitz materieller Güter ihre Seligkeit gefunden haben. Solche gebe es in Wirklichkeit nur in den Werbespots.«
    »Wieso?« Tatarski kam den hüpfenden Gedanken seines Freundes schwer hinterher.
    »Weil eigentlich gar nicht für Waren, sondern immer nur für das simple Glück auf Erden geworben wird. Immer zeigen sie die gleichen glücklichen Menschen, nur jeweils mit

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