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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Hier bei uns hatten wir früher das Christentum, das Zarentum, das Volkstum. Dann kam das Kommunistentum. Und jetzt, wo es von der Bildfläche ist, haben wir überhaupt keine Idee mehr, nur noch die blanke Kohle. Aber hinter der Kohle kann nicht bloß wieder die Kohle stehen, stimmt‘s? Sonst wüßte ja keiner mehr, was vorn und hinten ist.«
    »Ja, nun!« sagte Chanin. »Da kannst du was lernen, Babi.«
    »Und wenn unsere russischen Dollars ihre Kreise ziehen, sagen wir, in der Karibik«, ließ Bubi sich nicht beirren, »dann fragst du dich doch, was an denen noch russisch ist. Uns fehlt die nationale I-den-ti-tät!«
    Das letzte Wort ließ er sich Silbe für Silbe auf der Zunge zergehen.
    »Verstehst du? Die Tschetschenen haben sie – wir nicht. Das ist der Grund, weshalb alle auf uns spucken. Eine einfache und klare russische Idee muß her. Damit jede Schickse aus jedem beliebigen Harvard sie eins-zwei-hopp versteht – und wehe, sie glotzt noch mal blöd. Und damit wir selber wissen, wo bei uns der Hammer hängt.«
    »Du sollst ihm endlich seinen Auftrag geben«, sagte Chanin und zwinkerte Tatarski im Rückspiegel zu. »Das ist nämlich mein Kreativ-Direktor. Der kostet die Minute so viel, wie wir beide zusammen die Woche nicht verdienen.«
    »Der Auftrag ist ganz einfach«, verkündete Bubi. »Schreib mir eine russische Idee, die ungefähr fünf Seiten lang ist. Und eine Kurzversion von einer Seite. Alles muß reell dargelegt sein, ohne Gelaber. Daß ich mit ihr jedem Importschwuli – Banker, Opernsänger, was gerade reinschneit – Dampf untern Arsch machen kann. Damit die nicht denken, wir würden uns hier in Rußland einfach bloß Geld untern Nagel reißen und ne Stahltür davorsetzen. Die Idee muß ihnen als heiliger Geist in die Nase fahren, verdammt noch mal, wie fünfundvierzig bei Stalingrad, hast du verstanden?«
    »Und wo soll ich die. . .«, wollte Tatarski fragen, doch Chanin ließ ihn nicht ausreden.
    »Das mußt du nicht uns fragen, mein Bester. Du hast einen Tag Zeit, der Auftrag ist eilig. Hinterher brauche ich dich für andere Dinge. Und bedenke: Außer dir sitzt noch einer dran an der Idee. Streng dich an.«
    »Wer, wenn ich fragen darf?«
    »Sasha Blo, falls dir der Name was sagt.«
    Tatarski schwieg. Chanin machte Bubi ein Zeichen, der Wagen stoppte. Tatarski bekam einen Hunderter gereicht.
    »Fürs Taxi«, sagte Chanin. »Fahr nach Hause, und setz dich an die Arbeit. Für heute hast du genug getrunken.«
    Als Tatarski auf dem Bürgersteig stand, wartete er, bis das Auto davongefahren war, und zog die Visitenkarte des kaukasischen Gefangenen aus der Tasche. Da gab es was zu sehen: In der Mitte war ein Mammutbaum abgebildet, mit flatternden Dollarscheinen an den Ästen; der übrige Raum war von Stars, Stripes und diversen Adlern restlos gefüllt. Quer über die barocke Pracht stand in goldenen Schnörkelbuchstaben:
    Offene Aktiengesellschaft
Tampoco
Erfrischungsgetränke und Säfte
Manager Aktienverkehr
Michail Nepojman
    »Ach«, murmelte Tatarski, »wie interessant.«
    Er steckte das Kärtchen wieder ein, wandte sich der stark befahrenen Straße zu und hob die Hand. Beinahe sofort hielt ein Taxi.
    Der Chauffeur war ein pausbäckiger Schlaffi mit konzentrierter Leichenbittermiene. Tatarski drängte sich der Vergleich mit einem wassergefüllten Präservativ auf, das nur noch der geringsten Spitze bedurfte, um eine Überschwemmung zu verursachen.
    »Sagen Sie«, hörte Tatarski sich fragen, »Sie wissen nicht zufällig, was die russische Idee ist?«
    »Ha!« machte der Chauffeur, als hätte er auf diese Frage nur gewartet. »Das kann ich dir erzählen. Ich bin nämlich zur Hälfte Mordwine. Und wie ich bei der Armee war, im Grundwehrdienst, da gab’s dort einen Sergeanten Harlejew. Spitzname Harley. › Wenn ich wen hasse ‹ , hat der gesagt, › dann sind es Mordwinen und Kaukasier! ‹ Und hat mich ständig mit der Zahnbürste den Abtritt schrubben geschickt. Zwei Monate hat er mich gestriegelt, das Schwein. Dann sind auf einmal drei von meinen Landsleuten zu dem Bataillon eingezogen worden, und alles Gewichtheber, stell dir vor. › Ist hier wer, der was gegen Mordwiner hat? ‹ haben die gleich gefragt.«
    Dem Chauffeur stand ein glückliches Lächeln im Gesicht, und der Wagen wedelte in kühnen Bögen die Chaussee entlang, fast bis auf die Gegenseite hinüber.
    »Was hat das mit der russischen Idee zu tun?« fragte Tatarski, der erschrocken in seinen Sitz gerutscht war.
    »Das werd ich

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