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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Jungpionier aus Ruzkois letztem Aufgebot auf sie wartet, verstanden? Ach, du willst selber kommen? Komm nur, komm her. Schreib dir die Adresse auf.«
    Hussein stellte das Telefon ab und sah Tatarski fragend an.
    »Sagte ich doch. War nicht nötig«, meinte Tatarski.
    Hussein grinste.
    »Hast wohl Angst um mich? Fein von dir. Mußt du aber nicht haben.«
    Er holte zwei Handgranaten aus dem Safe, bog die Sperrflügel an den Zündern ein wenig auf und steckte sich je eine in die Hosentaschen. Tatarski tat, als schaute er woandershin.
    Eine halbe Stunde später kam wenige Meter vor Husseins Wohnwagen ein 600er Operettenmercedes mit getönten Scheiben zum Stehen. Tatarski klebte sofort am Spalt zwischen den Vorhängen. Zwei Männer stiegen aus: der eine ein zerzauster Chanin, der andere ihm unbekannt.
    Nach allen distinktiven Wow!-Merkmalen zu urteilen, handelte es sich um einen Repräsentanten des sogenannten Mittelstands: bullige Figur und krebsrotes Killergesicht, wie man es von den Gebrauchtwagenmärkten am Südhafen kannte. Schwarze Lederjacke, protziges Goldkettchen, dazu Trainingshosen. Zog man allerdings das Auto in Betracht, so mußte er jenen Ausnahmefall verkörpern, wo einer sich vom Soldaten zum General hinaufgedient hat. Kurzer Wortwechsel mit Chanin Jetzt kam er auf die Tür des Wohnwagens zu. Chanin blieb, wo er war.
    Die Tür ging auf. Massig trat der Fremde ein, sein Blick fiel zuerst auf Hussein, dann auf Tatarski und schließlich auf den an die Bank geketteten Typen. Man sah ihm die Verblüffung an. Eine Sekunde stand er, ohne sich zu rühren, so als traute er seinen Augen nicht, dann tat er einen Schritt zur Bank hin, packte den Angeketteten bei den Haaren und schlug ihm zweimal kräftig den Kopf auf das Knie – es ging so schnell, daß der Mann nicht mehr dazu kam, mit der freien Hand sein Gesicht zu schützen.
    »Hier steckst du also, du Schwein!« brüllte der Eindringling japsend, das Gesicht noch röter als zuvor. »Wir suchen dich seit vierzehn Tagen in der ganzen Stadt. Wolltest wohl bißchen Verstecken spielen, oder wie? Dich dünne machen, du beschissener kleiner Dealer?«
    Tatarski und Hussein blickten sich an.
    »He, übertreib mal nicht«, sagte Hussein irritiert. »Klar ist das ein Dealer, aber doch bitte schön mein Dealer.«
    »Was?« Der Fremde ließ den blutüberströmten Kopf des Sitzenden fahren. »Deiner? Der war schon mein Dealer, da hast du in den Bergen noch Zicken gehütet.«
    »Ich habe nie in den Bergen Zicken gehütet«, erwiderte Hussein gelassen. »Höchstens Böcke. Und wenn du hier rappelig werden willst, dann kriegst du von mir einen Ring durch die Nase gezogen, das sag ich dir ganz reell.«
    »Was redest du da?« Der Fremde zog die Stirn kraus und knöpfte sich die Jacke auf, die am linken unteren Saum irgendwie beulte. »Was für‘n Ring?«
    »Den hier«, sagte Hussein und zog eine Handgranate aus der Hosentasche.
    Der Anblick des aufgebogenen Sperrflügels holte den Fremden umgehend auf den Teppich zurück.
    »Das Schwein schuldet mir Geld«, stellte er fest.
    »Mir auch«, sagte Hussein und steckte die Granate wieder weg.
    »Mir zuerst.«
    »Nein. Zuerst mir.«
    Eine Minute lang sahen die zwei einander in die Augen.
    »Gut«, sagte der Fremde. »Wir sehen uns morgen und bereden das. Morgen abend um zehn. Wo?«
    »Komm einfach her.«
    »Abgemacht«, sagte der Fremde und bohrte seinen Finger in Tatarskis Brust. »Den Jungen nehm ich mit. Der gehört in meinen Stall.«
    Tatarski sah zweifelnd zu Hussein hinüber und erntete ein mildes Lächeln.
    »Geh nur, wir beide sind quitt. Dein Freund, denke ich, ist so freundlich und übernimmt die Zeche. Aber ganz davon abgesehen, besuch mich ruhig wieder mal. Bring Blumen mit, Rosen. Ich liebe Rosen.«
    Hussein ließ den beiden den Vortritt und folgte dann selbst ins Freie. An die Wand seines Wagens gelehnt, zündete er sich eine Zigarette an. Nach zwei Schritten machte Tatarski kehrt.
    »Ich hab mein Bier vergessen«, sagte er.
    »Geh rein und hol‘s dir«, sagte Hussein.
    Tatarski kehrte ins Wageninnere zurück und nahm die letzte Büchse Tuborg vom Tisch. Der an die Bank gefesselte Mann stöhnte, hob die Hand. Tatarski sah ein Fetzchen farbiges Papier darin stecken, griff zu und versenkte es eilig in der Jackentasche. Der Gefangene ließ noch ein leises Stöhnen hören, diesmal eine Oktave höher, drehte mit dem Finger eine unsichtbare Telefonwählscheibe und legte sich die Hand auf das Herz. Tatarski nickte und verließ

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