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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Herangehensweise von der Mehrzahl der Fachleute als überholt angesehen. Amen.
    An die russische Idee gemahnte hier einzig und allein die rot-welsche Anrede »Bürger Rußlands!«, die Tatarski in ihrem Aplomb wie die Grußformel »Arrestanten!« vorkam, mit der ehrbare Kriminelle ihre in die Lager geschmuggelten Kassiber einzuleiten pflegen. Bubi Wowa, selbst wenn er diese Analogie übersah, würde mit der Botschaft schwerlich zufriedenzustellen sein. Alle Versuche, einen in dieser Frage kompetenteren Geist zu kontaktieren, scheiterten. Lediglich die Anrufung Dostojewskis, von der sich Tatarski viel versprochen hatte, erzielte einige sekundäre Effekte: Die Planchette fing zu zittern und zu hüpfen an, als wollte sie in alle Richtungen gleichzeitig Geistesgegenwart beweisen; die dabei auf dem Papier entstandenen Krakel waren für den Kunden unbrauchbar. Wobei man sich natürlich mit dem Gedanken hätte trösten können, daß die gefragte Idee offenbar so transzendent war, daß sie sich nicht anders zu Papier bringen ließ. Ganz gleich jedoch, wie man die Sache sah – seinen Auftrag hatte Tatarski nicht erfüllt.
    Die eine Seite Zahnbürsten – und Kiwi-Schrott, die in seiner Mappe lag, konnte er Chanin unter keinen Umständen vorlegen; vorgelegt werden mußte jedoch etwas, und Tatarskis Verstand war mit masochistischen Freiübungen beschäftigt: Er ging alle ihm bekannten Markenartikel durch, die das Wort Laser in sich trugen, und änderte einen Buchstaben so, daß sie auf ihn paßten. Loser-Jet und Loser-Max klatschten wie Ohrfeigen auf seine wunde Seele nieder und ließen die bevorstehende Schmach für Sekunden vergessen.
    In der Nähe der Metrostation wurde er noch anderweitig abgelenkt. Dort ging Seltsames vor. Er sah eine Absperrkette aus mindestens zwei Dutzend Bereitschaftspolizisten mit Maschinenpistolen, die über Funk miteinander schwätzten und dabei heroische und verschwörerische Gesichter zogen. Im Zentrum des abgesperrten Raumes stand ein kleiner Kran, der dabei war, die verkohlten Reste eines Personenwagens auf einen Sattelschlepper zu laden. Um das Wagengerippe herum liefen einige Männer in Zivil, die gründlich den Asphalt untersuchten, irgendwelche Dinge auflasen und in etwas steckten, was wie Müllsäcke aussah. All dies beobachtete Tatarski vom höher gelegenen Teil der Straße; als er sich der Station näherte, verdeckte bald eine dichte Menschentraube das Geschehen, und es war kein Durchkommen mehr. Nachdem Tatarski sich eine Weile vergeblich an den schweißigen Rücken seiner Mitbürger abgearbeitet hatte, ging er seufzend weiter.
    Chanin war schlecht gelaunt. Die Stirn in der Hand vergrabend, malte er mit dem glimmenden Ende der Zigarette irgendwelche kabbalistischen Zeichen in den Aschenbecher. Tatarski setzte sich ihm gegenüber auf die Stuhlkante und redete, die Mappe vor der Brust, verworrenes Zeug:
    »Ich hab natürlich was geschrieben. So gut es ging. Aber berühmt ist das sicher nicht, man muß es Bubi so nicht in die Hand geben. Die Sache ist die, das Thema ist . . . na ja, es ist schwierig. Einen Slogan auszudenken oder eine bestimmte Marke mit ein bißchen russischer Idee aufzupeppen wäre nicht das Problem, ich könnte auch das ausbauen, was Sasha Blo schreibt, aber für eine eigene Konzeption ist es noch zu früh. Ich sage das nicht aus falscher Bescheidenheit, sondern objektiv. Prinzipiell ist es so, daß . . .«
    »Vergiß es«, unterbrach Chanin den Vortrag.
    »Was soll das heißen?«
    »Sie haben Bubi umgelegt.«
    »Wie?« Tatarski lehnte sich zurück.
    »Sehr einfach. Er hatte doch gestern das Gipfeltreffen mit den Tschetschenen. Übrigens in der Nähe deiner Wohnung. Er ist mit zwei Autos vorgefahren, die ganze Mannschaft, wie es sich gehört. Er dachte ja, daß er es mit normalen Menschen zu tun hat. Aber diese Schweine haben sich über Nacht auf dem Hügel gegenüber verschanzt. Und wie er ankam, haben sie mit zwei Hummeln draufgehalten. Das sind ätzende Flammenwerfer, kann ich dir sagen, zweitausend Grad Kerntemperatur. Bubis Wagen war gepanzert, nur war die Panzerung für normale Verhältnisse ausgelegt, nicht für solche perversen . . .«
    Chanin winkte ab.
    »Bubi war auf der Stelle tot«, fügte er leise hinzu. »Wer von den anderen die Detonation überlebt hat und aus dem brennenden Auto rausgesprungen kam, ist mit dem Maschinengewehr niedergemäht worden. Ich begreife nicht, wie man mit solchen Menschen Geschäfte tätigen kann. Falls das überhaupt Menschen

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