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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Gesicht:
    »Na! Das wollte ich hören! Habt ihr einen Check gemacht? Toll.«
    Die Nachricht schien äußerst erfreulich zu sein. Asadowski stand auf, rieb sich die Hände und lief mit federnden Schritten zu einem Wandschrank. Ihm entnahm er einen großen Käfig, auf dessen Boden etwas umherflitzte. Er trug ihn zum Tisch herüber. Der Käfig war alt, mit Roststellen, wie das Skelett eines alten Lampenschirms.
    »Was haben wir denn da?« fragte Tatarski.
    »Rostropowitsch.«
    Asadowski klappte das Türchen auf, und ein kleiner Goldhamster kam hervorgekrabbelt, blickte Tatarski aus roten Äuglein an, bedeckte das Schnäuzchen mit den Pfoten, rieb sich die Nase. Asadowski stieß einen schmachtenden Seufzer aus. Er entnahm dem Schreibtisch eine Art Werkzeugköfferchen und öffnete es. Ein Fläschchen japanischer Alleskleber, eine Pinzette und ein Döschen wurden aufgereiht.
    »Halt ihn mal«, befahl Asadowski. »Keine Angst, er beißt nicht.«
    »Wie soll ich ihn halten?« fragte Tatarski, während er sich aus dem Sessel kämpfte.
    »Die Vorderpfoten auseinander. Wie einen kleinen Jesus. Genau.«
    Jetzt sah Tatarski auf der Hamsterbrust eine Anzahl winziger, gezackter Metallscheiben, fast wie Uhrenzahnräder. Beim näheren Hinsehen stellte er fest, daß es höchst kunstvolle Nachbildungen von Orden waren – er glaubte sogar kleine aufgesetzte Edelsteine zu erkennen, was die Ähnlichkeit mit Einzelteilen eines Uhrwerks verstärkte. Keinen der Orden konnte er jedoch identifizieren. Dem Anschein nach gehörten sie einer anderen Epoche an, am ehesten hätten sie wohl auf eine Feldherrenuniform zu Zeiten Katharinas gepaßt.
    »Von wem hat er die?« erkundigte sich Tatarski
    »Von wem kann er sie haben, wenn nicht von mir!« flötete Asadowski, während er zur Pinzette griff und ein kurzes, blaues Moireseidenband aus dem Döschen zog. »Schön festhalten.«
    Er drückte einen Leimtropfen auf ein Blatt Papier, fuhr mit dem Bändchen geschickt darüber hinweg und heftete es dem Hamster an das Wanstlein.
    »Oh«, sagte Tatarski, »ich glaube, er hat. . .«
    »Geschissen!« bekräftigte Asadowski und tauchte ein in der Pinzettenspitze klemmendes, diamantenes Schneekristall in den Leim. »Das tut er aus purer Freude. Zack!«
    Er warf die Pinzette auf den Tisch, beugte sich zu dem Hamster nieder und pustete ihm ein paarmal kräftig auf die Brust. »Trocknet in Sekundenschnelle«, gab er Tatarski zu verstehen. »Kannst ihn laufen lassen.«
    Geschäftig fegte der Hamster zum Rand des Tisches und schob das Schnäuzchen darüber, als gäbe es auf dem weit unten gelegenen Fußboden etwas zu sehen, dann schüttelte er den Kopf und begab sich zur gegenüberliegenden Kante, wo sich das Spiel wiederholte.
    »Und wieso kriegt er den Orden?« fragte Tatarski.
    »Weil ich in Stimmung bin. Bist wohl neidisch?«
    Asadowski fing den Hamster und warf ihn zurück in den Käfig, den er zusperrte und zum Schrank zurücktrug.
    »Warum hat das Tier diesen komischen Namen?« stellte Tatarski eine neue Frage.
    »Na, na, mein lieber Babilen«, sagte Asadowski, der nun wieder hinter dem Schreibtisch saß, »das könnte Rostropowitsch dich genauso fragen.«
    Tatarski fiel ein, daß ihm geraten worden war, nichts Überflüssiges zu sagen oder zu fragen. Asadowski verstaute sein Ordensverleihungsbesteck, zerknüllte das leimbeschmierte Blatt und schleuderte es in den Papierkorb.
    »Ich mach es kurz: Wir nehmen dich. Drei Monate Probezeit. Wir haben seit neuestem eine eigene Werbeabteilung, wo wir aber weniger selbst produzieren, mehr die Arbeit einiger großer Agenturen koordinieren. Nach dem Motto: Wir spielen nicht mit, wir hüten die Bank. Fürs erste ist dein Platz in der Abteilung für interne Gutachten, Nachbareingang, dritter Stock. Wir halten ein Auge auf dich; wenn du dich gut machst, kriegst du ein verantwortungsvolleres Ressort. Hast du gesehen, wie viele Stockwerke wir haben?«
    »Oh ja«, sagte Tatarski.
    »Na also. Viel Raum, über sich hinauszuwachsen. Noch Fragen?«
    Tatarski wagte die Frage zu stellen, die ihn die ganze Zeit quälte.
    »Sagen Sie, Herr Asadowski, ich habe gestern so einen Pillenspot gesehen – haben Sie da zufällig den Doktor gespielt?«
    »Zufällig ja«, gab Asadowski trocken zur Antwort. »Darf ich das nicht?«
    Er wandte sich ab, nahm den Telefonhörer und schlug sein Notizbuch auf. Tatarski verstand, die Audienz war beendet. Den Blick auf den Teppich gerichtet, trat er unschlüssig von einem Bein auf das

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