Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
ihre Seite stach. Anna schnappte nach Luft. Ein Traum. Oder? Wo war sie? Sie lag auf dem Boden des Badezimmers in ihrer Kabine auf der Horizon. Die Wärme der Medikation des medizinischen Miniaturroboters auf der Operationsnarbe wirkte schnell. Sie musste nach der Dusche das Bewusstsein verloren haben. Ihr wurde schlecht. Mit einer hastigen Bewegung schaffte sie es gerade noch, den Kopf über die Toilette zu halten. Das Wenige, das sie erst kurz zuvor zu sich genommen hatte, behielt sie leider nicht bei sich. Ihr Magen verkrampfte. Anna schrie und krümmte sich am Boden zusammen. In dem Erbrochenen konnte sie auch Blut erkennen. Sie würde bald elendig verrecken.
»NEIN!«, brüllte sie heiser vor Wut. Bald, aber nicht jetzt. Ihre Arbeit, die Evakuierung, sie war noch nicht fertig. Mühsam stützte sie sich am Boden ab. Auf die Beine! Steh sofort auf, schrie sie sich selbst in Gedanken an. Stöhnend drückte sie die Arme durch, ohne zu bemerken, dass sie dabei ihre langen Haare mit der Hand am Boden festhielt. Einen Schmerz spürte sie nicht, sie riss sich die Haare ohne jegliche Empfindung aus. Einfach so.
Anna lachte, verzweifelt, weinend, über ihre Frisur würde sie sich keine Sorgen mehr machen müssen.
Der Blick in den Spiegel ließ sie trotzdem erschrecken. Als ob sie von den 192 Jahren Flugzeit einen großen Teil persönlich erlebt hätte. Und sie fühlte sich noch älter, als sie bedauerlicherweise schon aussah. Ihre Gesichtszüge wirkten verbraucht und zahlreiche Falten ließen sie wie eine bereits Fünfzigjährige aussehen. Hohe Dosen ionisierender Strahlung ließen Menschen wie im Zeitraffer altern. Aber es war ohnehin kein interessanter Mann ihrer Altersklasse mehr an Bord und Elias war erst zwölf Jahre alt, also viel zu jung.
Anna nahm den elektrischen Rasierer, mit dem sie ansonsten immer die Beine rasierte, und schor sich den Kopf. Keine Kompromisse. Es war ohnehin nicht zu verhindern. In der Vergangenheit hatte sie ihre rote Lockenpracht stets als Verbindung zu ihrer Mutter empfunden. Als ob sie damit verhindern wollte, erwachsen zu werden und sich an glückliche Kindertage klammerte. Was sich nun definitiv erledigt hatte.
Anna verließ den Waschraum und zog sich einen neuen weißgrauen Einteiler an. Den ziehenden Schmerz an der Seite und die beißenden Kopfschmerzen ignorierte sie geflissentlich. Aus einer Schublade nahm sie ein handgroßes, ergonomisch geformtes Gerät, legte sich die Apparatur an den Hals und drückte einen Knopf. Ein kleiner Schnitt. Jetzt hatte sie einen neuen Kommunikations-Chip unter der Haut.
»Starte Kommunikation, Sanders-Robinson, Major, Vererbung der Rechte einleiten«, ordnete sie an.
»Bestätigt. Major Sanders-Robinson, Sie sind der kommandierende Offizier der Horizon« , quittierte das System.
Anna drückte sich wieder einen Irisprojektor durch die eine kleine Öffnung ihrer Nasenwurzel. Jeremie, die verbliebene KI hatte in der Kommandozentrale alles vorbereitet. Sie war wieder online und hatte eine Evakuierung zu leiten.
»Jeremie?«, fragte Anna mit beiden Fingern am Hals, während sie den Raum betrat, in dem Peter Hennessys Kryobett stand. Sie würde die Verbindung mit Jeremie ständig offen lassen.
»Die Kommunikation ist wie gewünscht geschaltet«, antwortete die KI sachlich.
»Dann geht es los. Wir brauchen eine Inventur aller flugfähigen Sub-Systeme. Ach was, starte besser eine Überprüfung aller noch einsatzfähigen Systeme, die wir verschiffen können oder zur Beladung benötigen«, sagte Anna und sah Peter in seine tiefgefrorenen blauen Augen. Manuell aktivierte sie dabei die AMENS Einheit, um auf einem Display seine vitalen Werte zu kontrollieren. Der Arsch lebte anscheinend wirklich noch.
»Inventur läuft«, antwortete Jeremie.
»Schalte weiterhin alle verfügbaren Rechner zusammen. Wir brauchen mehrere Startszenarien. Und zwar schnell. Prüfe die Reichweite, Möglichkeiten zur Reichweitenverlängerung und was dir sonst noch Sinnvolles dazu einfällt.«
»Die angedockten flugfähigen Kryo-Einrichtungen der Kinder vom Mars werden uns die Arbeit leicht machen. Problematisch sind die Kryobetten der Menschen auf der Horizon, die nicht für eine Landung vorgesehen waren«, gab Jeremie zu bedenken.
»Wir brauchen Hände. Viele Hände. Aktiviere weitere Drohnen. Solange die Hülle der Horizon intakt bleibt, können die von mir aus ganze Korridore in Stücke reißen.«
»Ich deaktiviere dazu in einzelnen Sektionen die Schwerkraft, das
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