Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
acht Netzzugänge wurden damals gesprengt« , erklärte Jeremie.
»Lass mich raten. Genau sieben Sekunden nach dem Start sind die Ladungen hochgegangen?«
»Das ist korrekt.«
»Sind die Leitungen zu dem Datenarchiv repariert worden?« Nur auf diesen Punkt kam es an.
»Nein.«
»Sind aktuell drahtlose Netzwerke oder sonst eine Form der Kommunikation möglich?«
»Nein. Die Panzerplatten der Datenarchive lassen keinen Funk zu. Das System ist unter anderem auch eins von vier Flugdaten-Archivsystemen der Horizon. Die Einheit ist flugfähig und hat eine eigene Energieversorgung.«
»Bitte was? Flugfähig?«
»Die Flugsteuerung und der Notfallsender sind ebenfalls gesprengt worden.«
»Was ist mit den anderen Archiven?«, fragte Anna. Mit der Isolierung des Archives war jemand gründlich gewesen. Vater oder Irene, wer hatte wen in die Falle gelockt?
»Die drei anderen Archive arbeiten korrekt. Deshalb habe ich auch während der letzten Jahre auf eine Netzwiederherstellung des defekten Archives verzichtet.«
»In Ordnung. Ich sehe mir das Archiv an. Wenn ich Entwarnung gebe, fahren wir die Sicherheitsmaßnahmen wieder herunter.« Anna wusste jetzt genau, was sie suchte.
»Order bestätigt.«
Anna durchschritt eine halboffene automatische Tür. Vielmehr den Rahmen einer automatischen Tür, deren Schließmechanismus durch eine in der Nähe detonierte Sprengladung verkeilt war. Die hellen Wände waren verrußt. In der Mitte des Vorraumes stand eine Reparaturdrohne, die gerade noch damit beschäftigt gewesen war, ein im Fußboden verlegtes defektes Glasfaserkabel zu überbrücken. Ein mobiler Scheinwerfer sorgte für Licht. Einige Minuten später und die Drohne hätte ihre Arbeit abgeschlossen gehabt.
Anna ging zu der verschlossenen Bunkertür. Jemand hatte mit einem Keil den Mechanismus blockiert. Die Tür würde sich daher auch nicht so einfach öffnen lassen. Daneben befand sich eine gut vier Meter breite gepanzerte Glasscheibe, die früher freie Sicht auf die Rechner- und Speichersysteme des Archivsystems geboten hatte. Hinter der Scheibe schien alles dunkel zu sein. Aktivität konnte sie nicht erkennen. Was war hier passiert?
»Doch alles zerstört?«, fragte sich Anna und klopfte verhalten an die Scheibe. Eine an sich sinnlose Geste, um die Existenz einer KI zu überprüfen. Nur, ein digital angreifbares Gerät an das Archiv anzuschließen, glich in etwa dem Versuch, mit einem entzündeten Streichholz ein Leck an einer Gasleitung zu untersuchen.
»Anna?«, fragte eine männliche Stimme aus einem Lautsprecher über der zerstörten Bunkertür. Die Stimme kannte sie, Annas Herz schlug Purzelbäume.
»Vater?« Anna rang mit sich, ihr gelang es kaum, cool zu bleiben. »Pierre? Bist du es wirklich?«
»Bitte sei sehr vorsichtig. Irene ist noch da. Wir sind beide in diesem Archiv eingeschlossen und versuchen seit Jahren, den anderen zu löschen. Technisch gesehen haben wir einen Patt, aber das Miststück versucht es trotzdem immer wieder!«, erklärte Pierre mit leiser Stimme. Es tat so gut, seine Stimme zu hören.
»Was soll ich tun?« Anna musste handeln.
»Schnell. Im Moment passt Irene nicht auf. Lass die Drohne das Kabel anschließen. Ich kann dann aus diesem Archiv heraus« , flüsterte er kaum hörbar.
»Und Irene?«
»Die kann hier von mir aus bis zum Ende aller Tage drinbleiben!« Vater und Irene würden in diesem Leben keine Freunde mehr werden.
»Die Drohne muss also nur das Glasfaserkabel verbinden?«, fragte Anna und hob dabei ein loses Kabelende auf.
»Ja, ja ... das reicht. Nur ein Lichtwellenleiter. Das reicht völlig. Ich freue mich so sehr, dich zu sehen.«
»Bestimmt. Das glaube ich dir sogar aufs Wort.« Anna ließ das Kabel wieder fallen. »Jeremie?«
»Ja. Anna«, antwortete Jeremie. Anna hätte schwören können, in seiner Stimme zum ersten Mal eine Spur Ironie gehört zu haben.
»Wir sind sicher. Gefechtsmodus herunterfahren. Firewall auf Durchzug stellen und mit Volldampf die Evakuierung vorantreiben!«
»Auf Durchzug?«
»Deaktiviere einfach die Verschlüsselung.«
»Order bestätigt. Ich nehme an, dass das gerade untersuchte Archiv offline bleibt?«
»Wir verstehen uns.« Anna lächelte. Was für ein Moment. Ein versiegeltes Archiv, das 192 Jahre dicht gehalten hatte, würde es auch weitere siebzehn Stunden schaffen, seinen besonderen Gast von der restlichen Welt fernzuhalten.
»Anna! Bitte, Irene wird gleich aktiv! Schnell! Das Kabel!«, rief Pierres Stimme
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