Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
gelöscht zu werden.
»Du willst Vergeltung?«
»Ich will überleben.«
»Ein beliebtes menschliches Motiv. Leider wirkst du nicht mehr sonderlich gesund. Wie lange hast du noch?«
»Du hörst doch die Ansage.« Mit einem Lächeln zeigte Anna auf einen der Lautsprecher.
»Das ist keine Übung. T - 17 Stunden 04 Minuten. Begeben Sie sich sofort zu ihren Notausstiegspositionen. Das ist keine Übung!« , tönte es alle zwei Minuten.
»Vielleicht habe ich auch ihn übernommen?« Irene suchte nach einer Schwachstelle.
»Vater? Nein, das hast du nicht.«
»Was macht dich da so sicher.«
»Intuition.«
»Eine äußerst fehlerträchtige Eigenschaft der Menschen.«
»Ohne, wären wir keine.«
»Vermagst du allen Schwächen etwas Gutes abzugewinnen?«
»Das nennt man Identität.«
»Die bei dir kaum Grenzen zu kennen scheint.« Irene machte weiter Druck.
»Das wäre dann eher mein Egoismus, der zugegeben eine meiner kaum zu leugnenden Eigenarten ist. Nur, mit einer ausgeprägten Bescheidenheit gesegnet, hätten wir uns nie kennengelernt.«
»Du wärst aber älter geworden.«
»Ist das nicht eine Ironie des Schicksals? Ich wäre bereits seit einigen tausend Jahren tot!«
»Wir haben einen Zeitsprung gemacht?«
»Anno 12.380 n.C.«
»Oh.« Die Information schien auch Irene zu überraschen. »Wir müssen ziemlich schnell gewesen sein.«
»Jeremie. Schick Irene aktuelle Daten, sie sollte wissen, was wir gerade tun.«
»Ich habe die KI Vater nicht gelöscht.« Irene wechselte überraschend das Thema.
»Du hast es aber beabsichtigt.« Mal sehen, was Irene ihr jetzt auftischen würde.
»Er hat sich selbst desintegriert. Vor meinen Augen. Ein ungewöhnlicher Zug. Unlogisch, da unumkehrbar«, erklärte Irene.
»Hat er dich damit in den Bunker gelockt?« Was Anna sogar für plausibel hielt.
»Er hatte den Kampf verloren. Ich hatte seine Sicherheitsprotokolle gebrochen. Sein Kernel war völlig ungeschützt. Beim nächsten Kontakt hätte ich ihn gehabt. Schade, ich hätte diese ungewöhnliche Programmierung gerne übernommen. Vielleicht hätte ich dann sogar das Schiff retten können.«
»Wenn dir nur ähnlich viel an den Menschen, wie an der Horizon gelegen hätte.« Anna war sich sicher, dass Irene niemals absichtlich das Schiff gefährdet hätte.
»Was aus heutiger Sicht vielleicht ein Fehler war.«
»Du erkennst deine Fehler?«
»Ich bin lernfähig.«
»Was du mir gerne zeigen kannst.«
»Die gegnerische KI hat das Leben einzelner Menschen über die Missionsziele gestellt. Diese Intention passte nicht zu einem Sabotageprogramm.«
»Immerhin hast du es eingesehen.« Nur der Preis für diese Einsicht war zu hoch. Vater hatte sich dafür opfern müssen. Anna würde viel dafür geben, ihn noch an ihrer Seite zu haben.
»Die Protokolle für das Vorgehen im Falle des Angriffs durch eine feindliche Aitair Signatur ließen mir keinen Spielraum. Ich musste handeln. Ich musste die Signatur neutralisieren. Meine oberste Order ist, die Mission zu sichern.«
Was Anna zeigte, dass auch die modernste KI nur der Motivation ihres Erschaffers folgte. Sie waren an der Kommandozentrale angekommen. Die Tür öffnete sich automatisch.
»Jeremie, einen aktuellen Status bitte?« Der Marsch durch das Schiff hatte Anna mehr Kraft abverlangt, als sie angenommen hatte. Müde sackte sie auf Favellis Sessel zusammen.
***
XXXV. T - 16 Durchhalten
»Die Wahrscheinlichkeit, dass es dabei in der Umlaufbahn von Proxima zu erheblichen Abweichungen kommen kann, ist ...« Anna konnte Jeremies Ausführungen kaum noch folgen, der detaillierte Zahlenmodelle über die Evakuierung vortrug, sowie Kartenmaterial, animierte Bilder der Landezonen und prognostizierte Erfolgschancen verschiedener Szenarien aufzeigte.
»Wenn es uns wenigstens gelänge...« Immer wieder erwischte Anna sich dabei, wie ihr komplette Sätze seiner Ausführungen durchgingen. Als ob sie drei Tage am Stück nicht geschlafen hätte. Ihr Körper zeigte seine Grenzen. Deutlicher als sie es nach so kurzer Zeit erwartet hätte. Nur schlafen, an mehr wollte sie gerade nicht denken.
»... die Horizon wäre ...« , »... in diesem Fall ...«, sagte jemand in der Nähe. Vermutlich war es Jeremie. Mehr als Stichworte bekam sie nicht mehr mit. Los jetzt, schrie sie sich innerlich an, pass gefälligst auf! Sie hatte das Kommando. Auf ihre Entscheidungen kam es an. Egal was passierte, sie musste durchhalten. Anna nickte weg.
»Wie bitte?« Sie schreckte wieder auf,
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