Genesis Secret
Sekretärin seufzte. »Ich werde es eintragen.«
Am nächsten Morgen nahm Forrester die U-Bahn nach Holborn und wartete in der Eingangshalle des Royal College, bis Janice Edwards dort eintraf. Sie schlug vor, in das große, blitzende Hightech-Museum des College zu gehen, weil es »ein guter Ort ist, um zu reden«.
Das Museum konnte sich sehen lassen. Ein Labyrinth aus riesigen Glasregalen voller Behältnisse und Präparate.
»Das ist die sogenannte Kristallgalerie.« Janice Edwards deutete auf die blitzenden Regale mit anatomischen Präparaten. »Sie wurde erst vor ein paar Jahren renoviert. Wir sind sehr stolz darauf. Hat Millionen gekostet.«
Forrester nickte höflich.
»Hier ist eins meiner Lieblingsexponate«, fuhr die Therapeutin fort. »Sehen Sie. Die konservierte Kehle eines Suizidopfers. Dieser Mann hat sich selbst die Kehle aufgeschlitzt - und man kann tatsächlich die Explosion im Gewebe sehen. Hunter war ein phantastischer Anatom.« Sie lächelte Forrester an. »Aber jetzt zu Ihnen. Was wollten Sie wissen, Mark?«
»Glauben Sie, dass es ein Mörder-Gen gibt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Auf gar keinen Fall?«
»Jedenfalls nicht ein einziges Gen, das auf keinen Fall. Allenfalls ein Gencluster. Das würde ich nicht von vornherein ausschließen. Aber mit Sicherheit lässt sich das natürlich nicht sagen. Dieser Forschungszweig steckt noch in den Kinderschuhen.«
»Aha.«
»Was die Rätsel der Genetik betrifft, stehen wir noch ganz am Anfang. Zum Beispiel: Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Homosexualität und hohe Intelligenz aneinander gekoppelt sind?«
»Sind sie das?«
»Ja.« Sie lächelte. »Homosexuelle Männer haben einen um zehn Punkte höheren IQ als der Durchschnitt. Hier kommt eindeutig eine genetische Komponente ins Spiel. Ein Gencluster. Aber hinsichtlich der konkreten Zusammenhänge tappen wir noch vollkommen im Dunkeln.«
Forrester nickte. Er betrachtete ein paar Tierpräparate. Ein Glas mit einem Schleimaal. Den fahlen grauen Magen eines Schwans.
Janice Edwards fuhr fort: »Was die Erblichkeit von Mordgier angeht, nun … das hängt davon ab, wie diese Gene interagieren. Untereinander und mit ihrer Umgebung. Jemand, der diese Veranlagung in sich trägt, kann ein vollkommen normales Leben führen, solange dieser spezielle Trieb nicht in irgendeiner Weise katalysiert oder provoziert wird.«
»Aber …« Forrester war verwirrt, »dann glauben Sie also doch, der Hang zu töten könnte erblich sein?«
»Nehmen wir Musikalität. Diese Begabung scheint, zumindest zum Teil, erblich zu sein. Denken Sie nur an die Familie Bach: Sie hat über mehrere Generationen hinweg große Komponisten hervorgebracht. Natürlich dürften dabei auch äußere Einflüsse eine Rolle gespielt haben, aber es müssen auch Gene daran beteiligt gewesen sein. Wenn also etwas so Komplexes wie das Komponieren von Musik vererbbar ist, warum dann, ja, nicht auch so etwas wie der Trieb, zu töten?«
»Und wie ist das mit Menschenopfern? Könnte auch der Drang, Menschen rituell zu opfern, erblich sein?«
Die Therapeutin runzelte die Stirn. »Das halte ich jetzt für eine sehr spezielle Veranlagung. Eine ziemlich groteske Vorstellung. Wie kommen Sie darauf?«
Forrester erzählte die Geschichte der Cloncurrys. Ein Adelsgeschlecht mit unbestreitbar kriegerischen Neigungen, die sich bei einigen Familienangehörigen sogar in einem Hang zu Menschenopfern äußerten. Und ihr jüngster Spross war Jamie Cloncurry: ein Mörder, der ohne ersichtlichen Grund und ohne Rechtfertigung mordete. Eigenartigerweise schien sich die Familie von Orten angezogen zu fühlen, an denen es zu Menschenopfern im großen Stil gekommen war: Zum Beispiel lebte sie in unmittelbarer Nachbarschaft der größten keltischen Opferstätte Frankreichs und des Schlachtfelds, auf dem ihr blutrünstiger Vorfahre General Cloncurry im Ersten Weltkrieg unzählige seiner eigenen Männer in den Tod geschickt hatte.
Janice nickte nachdenklich. »Interessant. Es heißt doch, Mörder kehren häufig an den Ort ihrer Tat zurück?« Sie zuckte mit den Achseln. »Aber das finde ich wirklich absonderlich. Warum sie sich ausgerechnet dort niederlassen? In der Nähe des Schlachtfelds? Könnte Zufall sein. Vielleicht wollen sie damit irgendwie ihrer Vorfahren gedenken. Was das angeht, müssten Sie einen Anthropologen fragen.«
Sie gingen weiter die Kristallgalerie entlang. Zwei junge Frauen mit Skizzenblöcken im Schoß und kleinen Farbdosen neben sich
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