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Genesis Secret

Genesis Secret

Titel: Genesis Secret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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unversucht lassen. »Vielleicht können Sie mir noch in einem letzten Punkt helfen. Als Professor de Savary gefunden wurde, hatte er ein Wort, ein einziges Wort, auf einen Buchumschlag geschrieben. Der Einband war voll mit Spritzern seines blutigen Atems.«
    »Wie bitte?«
    »Er schrieb mit dem Mund. Der Stift war in seinem Mund, und er hustete beim Schreiben Blut.«
    Die Therapeutin verzog das Gesicht. »Das ist ja furchtbar.«
    Forrester nickte. »Wie nicht weiter verwunderlich, ist das Geschriebene kaum leserlich.«
    »Okay…«
    »Doch das Wort scheint >eiger< zu sein.«
    »Eiger?«
    »Ja, Eiger, wie der Berg in den Schweizer Alpen, nur kleingeschrieben. Die Nordwand, Sie wissen schon.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was er damit gemeint haben könnte.«
    Der DCI seufzte. »Ich habe im Internet recherchiert. Mit Ausnahme des berühmten Bergs ist das Wort jedoch in keinem anderen Zusammenhang aufgetaucht.«
    Janice Edwards ging in Richtung Ausgang, vorbei an dunklen alten Brettern, die mit präparierten Adern verunstaltet waren. Forrester folgte ihr und fügte hinzu: »Aber warum könnte de Savary den Namen eines Bergs geschrieben haben? Und das auch noch, wenn er nur noch ein letztes Wort zu schreiben hatte und dabei fürchterliche Schmerzen litt? Warum ausgerechnet das schreiben?«
    »Ich habe keine Ahnung.« Dr. Edwards sah auf die Uhr. »Tut mir leid, aber ich muss jetzt los. Die Sitzung beginnt gleich.« Sie lächelte. »Wenn Sie möchten, können Sie nächste Woche zu einer Sitzung zu mir kommen. Rufen Sie meine Sekretärin an.«
    Forrester verabschiedete sich und stieg die Treppe hinunter, vorbei an Plinthen und Postamenten und streng blickenden Büsten berühmter Mediziner. Mit einer gewissen Erleichterung trat er auf die sonnigen Straßen von Bloomsbury hinaus. Das Gespräch mit Janice Edwards hatte ihn auf ein paar interessante Ideen gebracht, denen er nachgehen wollte. Jetzt gleich. Besonders eine bestimmte Wendung, die seine Therapeutin benutzt hatte, beschäftigte ihn: der Vorfahren gedenken. Sie brachte etwas in ihm zum Schwingen, was Rob Luttrell in seinem Tzraes-Artikel geschrieben hatte. Etwas über Vorfahren. Und wo man sich niederließ.
    Er ging zur Holborn Station, summte in der U-Bahn ungeduldig vor sich hin, bahnte sich dann seinen Weg durch die vollen Einkaufsstraßen Victorias. Als er bei Scotland Yard ankam, rannte er die Treppe hinauf und stürmte in sein Büro.
    Er fuhr sofort seinen Computer hoch und googelte: »Vorfahren vergraben Haus«.
    Volltreffer. Seine Belohnung. Was er wollte, was er in dem Times-Artikel gelesen zu haben glaubte.
    Cayönü und Catalhöyük. Zwei prähistorische türkische Stätten in der Nähe des Tempels von Göbekli Tepe.
    Das Entscheidende bei diesen Stätten war, was sich unter den Häusern befand. Die Bewohner hatten nämlich die Knochen ihrer Menschenopfer unter den Böden ihrer Behausungen vergraben. Folglich lebten und arbeiteten und schliefen und vögelten und aßen und redeten diese Menschen direkt über diesen Toten. Und wie es schien, hatte sich dieser Brauch über viele Jahrhunderte hinweg gehalten: eine neue Schicht menschlicher Knochen und Leichen, dann ein neuer Fußboden, dann weitere Knochen. Ein Leben über den Menschenopfern der Vorfahren. Im Beinhaus.
    Triumphierend nahm er einen Schluck aus einer Flasche Wasser. Wie konnte jemand in unmittelbarer Nähe oder sogar direkt über seinen eigenen Opfern leben wollen? Warum wollten das so viele Mörder? Er schaute auf den sonnigen Londoner Himmel hinaus und dachte über diesen merkwürdigen Aspekt so vieler moderner Mordfälle nach. Zum Beispiel Fred West, der seine ermordeten Töchter im Garten verscharrt hatte. Oder John Wayne Gacy in Indiana, der Dutzende der von ihm ermordeten Jungen direkt unter seinem Haus vergraben hatte. Bei jedem Serienmord suchte man als Erstes im Haus des Mörders oder unter seinen Bodendielen nach Leichen. Das war gängige Polizeipraxis.
    Bisher hatte sich Forrester nie wirklich Gedanken über dieses Phänomen gemacht: Doch mit einem Mal sah er es mit ganz anderen Augen. Offensichtlich gab es einen tiefsitzenden, möglicherweise unbewussten menschlichen Drang, in unmittelbarer Nähe seiner toten Opfer zu leben, einen Drang, der vor zehntausend Jahren anscheinend weitverbreitet gewesen war. Und vielleicht taten auch die Cloncurrys genau das: Sie lebten über den Leichen ihrer Opfer, über den vielen Soldaten, die der Schlächter von Albert in den Tod geschickt

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