Genesis Secret
saßen im Schneidersitz auf dem Boden. Kunststudentinnen, nahm Forrester an. Eine von ihnen sah chinesisch aus - sie blickte mit großer Konzentration auf fünf gespenstische konservierte Föten: missgestaltete Fünflinge.
Janice Edwards wandte sich Forrester zu. »Für mich hört sich das allerdings eher nach einer erblichen homizidalen Psychose an, die sich möglicherweise in bestimmten Situationen in Form von Opferungen Ausdruck verschafft.«
»Inwiefern?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass eine Psychose, die den Betreffenden für extreme Gewalttätigkeit prädisponiert, erblich bedingt sein könnte. Aber es stellt sich die Frage, wie eine solche Veranlagung unter darwinistischen Gesichtspunkten überlebensfähig wäre? Historisch gesehen muss ein Hang zu extremer Gewalttätigkeit grundsätzlich nicht immer etwas Schlechtes sein: Wenn zum Beispiel Mordlust und Brutalität in die richtigen Bahnen geleitet werden, könnten sie durchaus anpassungsfähig sein.«
»Wie?«
»Wenn es beispielsweise in der Familie eine militärische Tradition gibt. Der gewalttätigste Spross wird zum Militär geschickt, wo sich seine Aggressivität und Mordlust als erwünschte Eigenschaften erweisen.«
Sie gingen an den Studentinnen vorbei und kamen zu einer Vitrine mit winzigen Föten, anhand derer die embryonale Entwicklung vom ersten bis zum neunten Monat veranschaulicht wurde. Sie waren erstaunlich gut erhalten und schwebten in der klaren Flüssigkeit wie winzige Außerirdische in der Schwerelosigkeit des Alls. Ihre Gesichter trugen von den frühesten Stadien an menschliche Züge: Grimassen schneidend, schreiend. Stumm.
Forrester hustete und blickte aufsein Notizbuch. »Wenn also diese Kerle tatsächlich eine genetische Veranlagung für Mord und Sadismus in sich tragen, Janice, kann es dann sein, dass sie bisher verborgen geblieben ist? Aufgrund Großbritanniens imperialistischer Vergangenheit? Wegen der vielen Kriege, die wir geführt haben?«
»Das ist sehr wohl möglich. In heutiger Zeit wäre ein solcher Wesenszug allerdings höchst problematisch. In einer Zeit von Rauchverbot und intelligenten Bomben gibt es für extreme Aggressivität kein Ventil mehr. Wenn wir überhaupt töten, dann meistens vollkommen anonym, gewissermaßen per Knopfdruck. Und jetzt taucht da der junge Cloncurry auf, der möglicherweise das ist, was wir einen >genetischen Ausnahmefall< nennen. Er trägt die sadistischen Erbanlagen seiner Vorfahren in besonders ausgeprägter Form in sich. Wie kann er seine Veranlagung ausleben - außer mit Mord? Auch wenn es vielleicht gefühllos klingt, ich kann sein Dilemma durchaus verstehen.«
Forrester schaute auf eine menschliche Gehirnhälfte. Sie sah aus wie ein verschrumpelter Blumenkohl. Er las das dazugehörige Schild. Es war das Gehirn von Charles Babbage, dem »Erfinder des Computers«.
»Wie sieht es demnach mit einem Hang zu Menschenopfern aus? Sind Sie sicher, dass eine solche Veranlagung nicht auch erblich sein könnte?«
»In früheren Zeiten könnte ein solches Gencluster jemanden dafür prädestiniert haben, Menschenopfer zu begehen, insbesondere in einer religiös geprägten Gesellschaft, in der solche Akte eine wichtige Rolle spielten.«
Darüber dachte Forrester kurz nach. Dann zog er ein Blatt aus der Tasche: einen Ausdruck der E-Mail, die Rob Luttrell erhalten hatte. Er zeigte sie Janice Edwards, die sie rasch überflog.
»Antisemitismus. Ja, ja. Ein ziemlich häufiges psychotisches Symptom. Vor allem wenn der Betreffende sehr intelligent ist. Die unterbelichteteren Psychotiker glauben lediglich, in ihrem Toaster lebten Außerirdische, aber ein intelligenter Mensch, der verrückt wird, entdeckt raffiniertere Muster und Verschwörungssymptome. Und Antisemitismus ist ein relativ häufig zu beobachtendes Merkmal. Sagt Ihnen der Mathematiker John Nash etwas?«
»Der Typ aus diesem Film? A Beautiful Mind - Genie und Wahnsinn!«
»Einer der größten Mathematiker seiner Zeit. Nobelpreisträger, glaube ich. Im Alter zwischen zwanzig und vierzig war er total schizophren und zwanghaft antisemitisch. Er glaubte, die Juden hätten alle wichtigen Positionen besetzt und wollten die Weltherrschaft übernehmen. Hohe Intelligenz schützt nicht vor gefährlicher Verrücktheit. Der durchschnittliche IQ der Nazigrößen betrug 138. Sehr hoch.«
Forrester nahm das Blatt Papier, faltete es wieder und steckte es ein. Eine letzte Frage hatte er noch. Sie war ziemlich weit hergeholt. Aber er wollte nichts
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