Genesis Secret
Jahre lang bewohnt und dahinter eine kleine Anatomieschule errichtet habe. Franklin habe zwar möglicherweise über Hensons Tätigkeit Bescheid gewusst, aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an irgendwelchen Leichensektionen teilgenommen, weil er in erster Linie Physiker und nicht Mediziner war.
Forrester lehnte sich zurück. Der Keller des Hauses war also schon einmal aufgegraben worden. Mit überraschendem Ergebnis. Waren diese Kerle deshalb dort aufgekreuzt? Und was hatte es mit diesem »okkulten oder kriminellen Zusammenhang« auf sich? Okkult…
Forrester grinste. Inzwischen freute er sich aufs Mittagessen. Möglicherweise hatte er gerade die erste Witterung einer Spur aufgenommen.
8
Es war ein milder warmer Abend in Sanliurfa. Als Rob nach unten ins Hotelfoyer kam, saß Christine in einem Ledersessel und versuchte, dem Rauch dreier Zigarren paffender türkischer Geschäftsleute zu entgehen, die in ihrer Nähe saßen. Sie war schick angezogen: elegante Jeans, Sandalen, ein weißes ärmelloses Top und darüber eine flauschige aquamarinblaue Strickjacke. Sie lächelte, als sie Rob sah, aber er nahm Anspannung in ihrem Gesicht wahr.
Sie wollten auf ein paar Drinks zu Franz Breitner gehen: eine Feier anlässlich des großen Erfolgs der letzten Grabungssaison, der Datierung von Göbekli Tepe.
»Ist es weit?«
»Zu Fuß zwanzig Minuten«, antwortete Christine. »Mit dem Auto dreißig. Er wohnt gleich hinter dem Markt.«
Nach der lähmenden Hitze des Nachmittags herrschte in den Restaurants und Cafés nun pulsierende Geschäftigkeit. Durch die staubigen Straßen wehte der Duft von gebratenem Lammfleisch an Drehspießen. Taxifahrer hupten, ein verkrüppelter Mann in einem Rollstuhl verhökerte Zeitungen vom Vortag aus Ankara, Pistazienverkäufer schoben ihre verglasten Karren in Stellung. Rob sog die exotische Szenerie gierig auf.
»Wollen wir nicht ein paar Flaschen Wein kaufen? Damit wir nicht mit leeren Händen bei Franz auftauchen?«
Christine lachte. »In Sanliurfa?«
Sie gingen an einem Uhrenturm vorbei in die Altstadt. Rob betrachtete die alten Kolonnaden, die mit knallbunten Plastikspielsachen behängten Kioske, die zahllosen Handyshops. Vor den Cafés saßen gedrungene kurdische Männer, die Schischa rauchten, Türkischen Honig naschten und Christine unverhohlen anstarrten. Niemand trank Alkohol.
»Sie verkaufen hier keinen Alkohol? Nirgendwo?« Robs Stimmung sank merklich. Seit den Gin Tonics im Flieger war er abstinent gewesen. Sicher, er trank insgesamt zu viel, aber das war nun mal seine Art, mit dem Berufsstress fertig zu werden. Vor allem nach der Geschichte in Bagdad. Und die kurze Zeit ohne Alkohol reichte aus, um etwas zu bestätigen, was er längst wusste: dass er für ein Leben ohne Alkohol nicht geschaffen war.
»Am Stadtrand gibt es wohl ein paar Läden, in denen man etwas kriegen kann. Aber es ist ungefähr so, als würde man in England Haschisch kaufen. Nur unter dem Ladentisch.«
»Na, großartig.«
»Was hast du anderes erwartet? Das ist eine muslimische Stadt.«
»Ich war schon in einigen muslimischen Städten, Christine. Und ich dachte, die Türkei wäre ein eher gemäßigtes Land …«
»Viele Leute glauben, die Kurden wären schon ziemlich verwestlicht.« Sie lächelte. »Sind sie aber nicht. Vor allem nicht hier. Zum Teil sind sie sogar extrem konservativ.«
»Da bin ich aus Palästina und dem Libanon andere Verhältnisse gewohnt. Sogar in Ägypten kriegt man problemlos ein Bier.«
Christine legte ihm tröstend einen Arm um die Schulter und drückte ihn. Ihr Lächeln war sarkastisch - aber freundlich.
»Zu deiner Beruhigung: Bei Franz gibt es jede Menge zu trinken. Er bringt immer alles aus Istanbul mit.«
»Gott sei Dank!«
»Bien sür. Ich kenne doch die Journalisten. Vor allem die englischen.«
»Die amerikanischen, Christine.«
»Hier - schau - der Fischteich!«
Sie hatten die idyllische grüne Oase im Herzen der Stadt erreicht. Die kleinen Teehäuser funkelten im Zwielicht der Sonne;
türkische Junggesellen schlenderten Hand in Hand über die von Bäumen gesäumten Wege. Auf der anderen Seite des Teichs schimmerten die kunstvollen Arkaden einer Moschee wie mattes Gold.
Christine und Rob beobachteten eine Großfamilie: die Männer in Pluderhosen, die Frauen schwarz verschleiert. Rob konnte sich lebhaft vorstellen, dass die Frauen unter ihren Schleiern fast umkamen vor Hitze, und er empfand automatisch Groll. Christine schien davon
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