Genesis Secret
beflissen an, sie einen halben Kilometer weiter zu ihrem Wohnblock zu begleiten, aber sie lehnte höflich ab. Sie sahen sich an. Dann umarmten sie sich kurz. Bevor sie weiterging, sagte sie: »Es ist, wie du ganz richtig gesagt hast, nur ein Zufall. Aber die Kurden glauben daran. Im Nahen Osten glauben viele an Pulsa diNura. Sie ist berüchtigt. Schau mal bei Google nach. Wenn sie also darauf zurückgreifen … dann heißt das, dass einige Leute Franz Breitner tatsächlich den Tod wünschen.«
Damit drehte sie sich um und ging davon.
Rob sah ihr hinterher. Ihrer sich entfernenden Gestalt. Er fröstelte. Die Nacht wurde kälter, als der Wind aus der Wüste herüberblies.
10
DCI Forrester ließ sich auf die Couch sinken. Er befand sich in einem gemütlichen Wohnzimmer in Muswell Hill, einer Nordiondoner Vorstadt - bei seiner Therapeutin.
Es war ziemlich klischeehaft, fand er. Der Polizist mit den Neurosen, der verkorkste Ermittler. Aber das war ihm egal. Die Therapiesitzungen halfen ihm.
»Wie war Ihre Woche?« Seine Therapeutin war deutlich über sechzig. Doktor Janice Edwards. Auf eine sympathische Art ladylike und kultiviert. Forrester fand es gut, dass sie eine ältere Dame war. Bei ihr konnte er alles rauslassen, zur Katharsis kommen, ohne jede emotionale Ablenkung reden. Und er musste reden. Auch wenn es fünfzig Pfund die Stunde kostete. Manchmal redete er über seinen Job, manchmal über seine Frau und manchmal über andere Dinge. Unerfreulichere Dinge. Ernstere Dinge. Doch zum eigentlichen Kern der Sache kam er nie. Seiner Tochter. Vielleicht würde es ihm eines Tages gelingen.
»Also«, sagte Doktor Edwards irgendwo am Kopfende der Couch. »Erzählen Sie mir, wie Ihre Woche war …«
Den Blick abwesend auf das Fenster gerichtet, die Hände über dem Bauch verschränkt, begann Forrester seiner Therapeutin vom Craven-Street-Fall zu erzählen. Der Hausmeister, die Verstümmelung, die seltsamen Begleitumstände. »Wir haben keine Zeugen. Die Täter sind unbemerkt entkommen. Sie trugen Lederhandschuhe, und die Spurensicherung konnte nirgendwo DNS-Spuren finden. Die Messerwunden helfen uns auch nicht weiter. Eine stinknormale Klinge. Wir haben nicht einen einzigen Fingerabdruck gefunden.« Forrester rieb sich den Kopf. Die Therapeutin bekundete murmelnd Interesse. Er fuhr fort. »Als ich herausfand, dass der Keller, den sie aufgegraben haben … also, sie haben dort vor Jahren mal alte Knochen gefunden … da war ich sehr zuversichtlich, aber es war nicht wirklich eine Spur, es war, glaube ich, nur Zufall. Jedenfalls habe ich immer noch keine Ahnung, was sie gesucht haben. Vielleicht war es nur ein Streich, ein Studentenstreich, der irgendwie aus dem Ruder gelaufen ist, vielleicht hatten sie Drogen genommen …« Forrester merkte, dass er sich im Kreis drehte, aber es störte ihn nicht. »So sieht es im Moment aus. Ich habe einen Mann ohne Zunge im Krankenhaus liegen, die Spur ist inzwischen kalt und… na ja, das war jedenfalls meine Woche, eine ziemlich beschissene Woche also … und das ist alles wirklich … Sie wissen schon …« Er verstummte.
Manchmal passierte das in der Therapie. Man sagte nicht viel Wichtiges, und dann schwieg man. Doch plötzlich spürte Forrester, wie Kummer und Wut in ihm aufwallten - aus dem Nichts. Vielleicht war es die hereinbrechende Dämmerung, vielleicht war es die Stille im Zimmer. Vielleicht war es der Gedanke an diesen malträtierten und verstümmelten Mann. Jedenfalls wollte er jetzt über etwas viel tiefer Sitzendes sprechen, über etwas viel Bedrückenderes. Über das, worauf es wirklich ankam. Es wurde Zeit. Vielleicht wurde es wirklich Zeit, über Sarah zu sprechen.
Doch Stille füllte das Zimmer. Forrester dachte an seine Tochter. Er schloss die Augen. Er legte sich zurück. Und er dachte an Sarah. An ihre vertrauensvollen blauen Augen. Ihr bezauberndes Lachen. Ihre ersten Wörter. Apfel. App-fäll. Ihr erstes Kind. Eine reizende Tochter. Und dann …
Und dann. Sarah. O Sarah.
Er rieb sich die Augen. Er konnte nicht darüber sprechen. Noch nicht. Er konnte daran denken, er dachte die ganze Zeit daran. Aber darüber sprechen konnte er nicht. Noch nicht.
Sie war sieben Jahre alt gewesen. Sie war einfach bei Dunkelheit weggegangen, in einer Winternacht. Sie war einfach zur Tür hinausgegangen, niemand hatte aufgepasst. Und dann hatten sie gesucht und gesucht, und die Polizei und die Nachbarn, alle hatten sie gesucht…
Und sie hatten sie gefunden. Mitten
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