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Genesis Secret

Genesis Secret

Titel: Genesis Secret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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von Abwasser in die Nase.
    Christine hatte sich bei ihm eingehakt und führte ihn die schmale dunkle Straße hinunter auf einen moderneren, breiteren, besser beleuchteten Boulevard. Rob wartete auf eine Erklärung, doch sie ging schweigend neben ihm her. In der Ferne, hinter den letzten Wohnblöcken, konnte Rob gerade noch die Wüste erkennen. Dunkel und endlos, uralt und tot.
    Er dachte an die Pfeiler von Göbekli, die dort draußen nackt im Mondlicht standen: zum ersten Mal seit zehntausend Jahren wieder freigelegt. Erstmals seit seiner Ankunft in Sanliurfa war ihm kalt.
    Das Schweigen hatte sich schon zu lange hingezogen. »Also gut«, sagte er und löste Christines Arm von seinem. »Was sollte das eben? Dieses Gesinge?« Rob wusste, dass er nicht besonders einfühlsam war, aber er war müde, gereizt und spürte den Alkohol. »Christine. Sag schon. Du hast ausgesehen, als … als hättest du den assyrischen Winddämon gesehen.«
    Das war witzig gemeint. Um die gespannte Stimmung zu entschärfen. Aber es erfüllte seinen Zweck nicht. Christine sah ihn bedrückt an. »Pulsa diNura.«
    »Was?«
    »Das ist es, was die Männer gesungen haben. Ein Gebet.«
    »Pulsa… di…«
    »Nura. Peitschen aus Feuer. Das ist Aramäisch.«
    Rob war wieder einmal beeindruckt. »Woher weißt du das?«
    »Ich spreche ein wenig Aramäisch.«
    Inzwischen befanden sie sich auf Höhe des Fischteichs. Die alte Moschee war nicht beleuchtet und lag in tiefem Dunkel. Auf den Wegen waren keine Menschen mehr unterwegs. Rob und Christine wandten sich nach links zu seinem Hotel und zu ihrer Wohnung, die in unmittelbarer Nähe lag.
    »Sie haben also ein aramäisches Kirchenlied gesungen, ist doch reizend. Ein Ständchen!«
    »Das war kein Kirchenlied. Und ein Ständchen war es auch nicht.«
    Ihre plötzliche Gereiztheit überraschte ihn. »Entschuldigung, Christine…«
    »Pulsa diNura ist ein alter Fluch. Ein Zauberspruch aus der Wüste. Aus dem mesopotamischen Ödland. Er ist in einigen Versionen des Talmud enthalten, der heiligen Schrift der Juden, die in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft verfasst wurde. Als sich die Juden im Irak in Gefangenschaft befanden. Rob, dieser Fluch ist sehr schlimm, und er ist sehr alt.«
    »Na ja, gut…« Rob wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sie näherten sich seinem Hotel. »Und was bewirkt er? Dieser Pulsa diNura?«
    »Man versucht damit den Engel der Zerstörung heraufzubeschwören. Die flammenden Peitschen. Sie müssen es auf Franz abgesehen haben. Warum hätten sie sonst unter seinem Fenster gesungen?«
    Wieder spürte Rob in ihrem Ton diese ungewohnte Gereiztheit. »Na schön, Christine, dann verfluchen sie ihn eben. Und wenn schon? Sollen sie doch. Wahrscheinlich zahlt er ihnen nicht genug.
    Wen interessiert das schon - ist doch nur lächerlicher Hokuspokus! Oder?« Er musste an das Kreuz an Christines Hals denken. Verletzte er sie mit seinen respektlosen Äußerungen? Wie religiös war sie? Wie abergläubisch? Rob war überzeugter Atheist. Er fand Religiosität und irrationalen Aberglauben schwer verständlich und manchmal auch extrem ärgerlich. Trotzdem mochte er den Nahen Osten, Ursprung all dieser irrationalen Religionen und Wüstenkulte. Und ihm gefielen auch die Leidenschaften und Debatten, die diese religiösen Überzeugungen auslösten. Das war eigentlich paradox.
    Christine blieb still. Rob versuchte es erneut. »Was spielt das schon für eine Rolle?«
    Sie wandte sich ihm zu. »Für manche Leute spielt es sehr wohl eine Rolle. In Israel zum Beispiel.«
    »Okay, meinetwegen.«
    »Die Pulsa diNura wurde erst in jüngster Vergangenheit mehrere Male verhängt - von Juden.«
    »Aha.«
    »Von einigen ultraorthodoxen Rabbinern zum Beispiel. Sie beschworen im Oktober 1995 den Todesengel gegen den israelischen Premier Jitzchak Rabin herauf.« Sie hielt inne. Rob begann wegen des Datums nachzurechnen. Christine kam ihm zuvor. »Und keinen Monat später fiel Rabin einem Attentat zum Opfer.«
    »Ein interessanter Zufall.«
    »Einige andere Rabbiner verhängten Pulsa diNura 2005 über Ariel Scharon, den nächsten Premierminister. Er fiel wenige Monate später nach einer Hirnblutung ins Koma.«
    »Scharon war bereits siebenundsiebzig.«
    Sie sah Rob direkt in die Augen.
    »Sicher. Alles nur … Zufall.«
    »Allerdings.«
    Sie hatten sein Hotel erreicht. Ihr Gespräch war fast zu einem Streit ausgeartet. Das bedauerte Rob. Er mochte Christine. Sehr.
    Er wollte sie nicht provozieren. Er bot ihr

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