Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Halbmondes diesen Winkel zwischen Mond und Sonne am Himmel zu messen. Dieses Verfahren ist im Übrigen völlig unabhängig vom angenommenen Weltbild, es funktioniert im heliozentrischen genauso wie im geozentrischen.
Es ist heute kaum vorstellbar, wie Aristarch die Beobachtung gelungen sein soll, denn der Zeitpunkt des Halbmondes lässt sich durch Beobachtungen nur ungenau festlegen. Das mag auch erklären, warum er für den Winkel zwischen Mond und Sonne einen falschen Wert von 87 Grad ermittelte. In Wirklichkeit beträgt er 89,8 Grad – ist also nur unwesentlich kleiner als ein rechter Winkel.
Historiker haben viel darüber gerätselt, wie dieser Messwert einzuschätzen ist. Einige tendieren sogar zu der Vermutung, Aristarch sei die Messung gar nicht gelungen und er habe diesen Wert einfach angenommen. Denkbar erscheint es aber auch, dass Aristarch den Zeitpunkt des Halbmondesrechnerisch bestimmt hat und dann den Winkelabstand zwischen Mond und Sonne gemessen hat.
Neben den astronomischen Schwierigkeiten hatte Aristarch auch mit erheblichen mathematischen Problemen zu kämpfen. Heutzutage lässt sich die Aufgabe mit trigonometrischen Funktionen (Sinus und Cosinus) recht schnell lösen. Aber zur damaligen Zeit gab es dieses mathematische Werkzeug noch nicht, weswegen sich Aristarch mit aufwändigen Näherungsverfahren behelfen musste. Hier zeigte sich sein außergewöhnliches mathematisches Geschick.
Zusätzlich zu dem Winkel zwischen Sonne und Mond benötigte Aristarch noch einige weitere Größen, die er unter anderem aus totalen Mondfinsternissen ableitete. Am Ende seiner komplizierten Rechnung stand ein beeindruckendes Ergebnis: Die Sonne war etwa 19 Mal weiter von der Erde entfernt als der Mond. Mit einer weiteren Annahme konnte er hieraus schließen, dass die Durchmesser von Mond, Erde und Sonne im Verhältnis 1:3:19 standen. Das hieß: Die Erde würde mehr als 250 Mal in die Sonnenkugel hineinpassen.
Aristarch unterschätzte die Distanzen im Sonnensystem ganz erheblich, was eine Folge des zu groß angenommenen Winkels zwischen Sonne und Mond war. Aber seine Arbeit muss damals revolutionär und in gewisser Hinsicht auch provokant gewesen sein. Nach der Aristotelischen Philosophie erhob sich nämlich die göttliche himmlische Sphäre auch in philosophischer Hinsicht über die irdische. Wie konnte es also jemand wagen, den Himmel mit den Methoden eines Landvermessers auszuloten?
Vor allem aber ist es gut denkbar, dass diese Entdeckung Aristarch zu seiner heliozentrischen Hypothese führte. Es mag ihm unnatürlich erschienen sein, dass sich die Sonne um die viel kleinere Erde bewegen sollte. Und schließlich wurde das himmlische Räderwerk auch mit einem Schlag viel einfacher, wenn man die Sonne in dessen Zentrum stellte und die Planeten mitsamt der Erde sie umkreisen ließ.
Nimmt man nämlich an, dass Merkur und Venus innerhalb der Erdbahn um die Sonne laufen, wird auch verständlich, warum sie sich am Himmel nie weit von dem Tagesgestirn entfernen. Auch die Schleifen von Mars, Jupiter und Saturn finden eine einfache Erklärung. Sie umkreisen die Sonne außerhalb der Erdbahn und benötigen für einen Umlauf länger als ein Jahr. Das bedeutet, dass unser Planet sie immer wieder »auf der Innenbahn« überholt. In diesen Phasen hat es den Anschein, als würden die Planeten zeitweise am Himmel rückwärtslaufen.
Bei diesen Betrachtungen, die zur damaligen Zeit ein hohes Abstraktionsvermögen verlangten, mag auch eine Arbeit von Euklid eine Rolle gespielt haben. Neben seinem legendären Hauptwerk der Geometrie ›Die Elemente‹ hat der Mathematiker ein Buch über Optik verfasst. Darin geht es natürlich nicht um die Abbildung mit Linsen oder Spiegeln, die es damals noch gar nicht gab, sondern um Fragen der Perspektive. So stellte Euklid zum Beispiel fest: »Bei gleicher Geschwindigkeit erscheint das, was weiter entfernt ist, langsamer.« Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Bewegung geradlinig ist oder auf einem Kreis erfolgt. Oder: »Wenn sich mehrere Körper mit verschiedener Geschwindigkeit bewegen und zugleich mit ihnen das Auge in der gleichen Richtung, dann wird das, was sich gleich schnell wie das Auge bewegt, stillzustehen, was langsamer ist, sich in entgegengesetzte Richtung, was schneller, in gleiche Richtung nach vorwärts zu bewegen scheinen.« 3 Diese Fälle treten genau bei der beschriebenen Bewegung der Erde relativ zu den Planeten auf.
Was Euklid hier als rein geometrisch-perspektivischen
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