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Genom

Genom

Titel: Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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sehen.
    Whisprs Gastgeber lächelte. Das war ebenso beeindruckend wie beunruhigend.
    »Nenn mich Gator.«
    Mehrere Jahrtausende lang war es bei jungen Männern in der mittleren und oberen Sepik-River-Region von Papua Neuguinea Brauch gewesen, ihre Körper als Hommage an das heilige Krokodil mit Narben zu versehen, wenn sie erwachsen wurden, um so an seiner Stärke teilhaben zu können. Mit einem scharfen Messer ritzte man dazu einen oder zwei Zentimeter lange Schlitze in die Haut und das Fleisch auf dem Rücken eines jungen Mannes. In die blutigen Wunden wurde die Asche eines kürzlich erloschenen Feuers gerieben. Wenn die Schlitze über der Asche verheilten, bildeten sich kleine Höcker, die stark an den geriffelten Panzer eines Krokodils erinnerten.
    Dank der modernen Meldtechnologie konnten derartige Modifikationen bis zu einem extremen Grad durchgeführt werden, von denen die Sepik-Dorfbewohner nur hatten träumen können.
    Whispr konnte nicht anders, er musste seinen Gastgeber einfach anstarren. Dieser war das zweifellos gewohnt, vermutlich erwartete oder begrüßte er es sogar. Spontan überlegte Whispr, wie sein Alltag aussehen mochte – und mehr. Er würde wohl kaum eine Alligatorfrau mithilfe der Sprachbox kennenlernen, und sein Aussehen wäre gewiss auch nicht hilfreich, um jemanden vom anderen Geschlecht – oder vom eigenen, falls er das bevorzugte – kennenzulernen. Dennoch schien Gator mit der Transformation, die er vollzogen hatte, zufrieden zu sein, sonst hätte er sie gar nicht erst begonnen. Trotz der prägnanten Erklärung des Mannes konnte sich Whispr den Grund für diesen drastischen Schritt einfach nicht erklären.
    In einer Zeit der Melds konnte man über individuelle Entscheidungen nun mal nicht streiten. Whispr selbst mochte allerdings Alligatoren. Insbesondere den Schwanz, frittiert und in Dressing gehüllt zwischen zwei Hälften eines frischen Baguettes.
    Dank der Melds wirkte sein Gastgeber deutlich größer. Das galt vor allem für sein Gesicht, wenngleich der Rest des Körpers von den Proportionen dazu passte. Unwillkürlich starrte Whispr sein Gegenüber an und fragte sich, was das alles gekostet haben mochte. Es war offensichtlich, dass der Chirurg oder das Konsortium, dessen Werk er hier vor sich hatte, außerordentlich begabt war.
    Gators Kieferknochen waren verlängert und gestärkt worden. Die menschlichen Zähne hatte man entfernt und durch den kompletten Satz eines Krokodilgebisses ersetzt. Wenn der Mann den Mund schloss, waren wie bei seinem reptilischen Namensgeber einzelne weiße Eckzähne zu erkennen. Schwarz geschlitzte Pupillen mit goldenen Flecken hatten die runden blauen Augen abgelöst. Die äußeren Fortsätze der Ohren waren entfernt worden. Zumindest pflegte der Mann die vorstehenden Krallen an seinen Händen, dachte Whispr, als er seinem Gastgeber die Hand schüttelte.
    Angesichts von Gators angepasstem Erscheinungsbild war es kaum überraschend, dass von allen Melds, denen er sich unterzogen hatte und von denen einige ganz offensichtlich sehr schmerzhaft gewesen waren, die teuerste Arbeit an seiner Haut geleistet worden war. Selbst der Schwanz, der an seinen untersten Wirbeln befestigt worden war und sich jetzt mehr als einen Meter lang hinter ihm erstreckte, zog nicht so viele prüfende Blicke auf sich wie seine modifizierte Epidermis. Schwänze aller Art waren ein weitverbreitetes Meld, insbesondere bei Frauen. Krokodilhaut jedoch nicht.
    Die Knötchen und Schuppen sahen aus, als hätten sie Gator schon von Geburt an bedeckt. Ihre Farbspanne reichte von dunkelgrün bis schwarz, und sie schimmerten im schwachen Licht des Raumes wie feines Leder. Was sie ja auch waren. Ein Nebeneffekt dieses Aussehens war, dass ihr Besitzer jetzt in eine Art natürliche Panzerung eingehüllt war, wie sie auch Kaimane und Krokodile trugen. Während er sein Gegenüber beäugte, überlegte Whispr, wie schnell sich dieser wohl bewegen konnte, doch angesichts von Zähnen, Schwanz und der robusten Haut, würde er im Nahkampf einen beeindruckenden Gegner abgeben.
    Allerdings war er nicht hergekommen, um zu kämpfen, und auch nicht, um das außergewöhnliche Meld seines Gastgebers zu bewundern. Er war hergekommen, weil Gators technisches Wissen bei jenen, die sich an der ganzen Südostküste zwielichtigen und illegalen Tätigkeiten hingaben, überaus berühmt war. Whispr brauchte das Gehirn des Mannes, nicht seine Zähne. Das Aussehen seines Gastgebers war bedeutungslos. Whispr war schon

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