Genom
Allgemeinen von den Männern bezahlt, mit denen sie ausging. Sie fühlte sich nicht schuldig, dass sie sich die moderne Dusche gegönnt hatte.
Erst recht nicht in diesem Moment.
Während das Wasser abgesaugt wurde, damit es innerhalb des Gebäudes recycelt werden konnte, breitete sie die Arme aus und ließ sich sanft abtrocknen und parfümieren. Direkt hinter der Badezimmerwand aus Einwegspiegelglas ging es fünfundachtzig Stockwerke nach unten. Sie konnte zwar hinaus-, aber niemand hineinsehen, daher war diese Dusche für Menschen mit Höhenangst denkbar ungeeignet.
Sie war vor allem wütend auf sich selbst, dass sie immer noch diese Albträume hatte und nichts dagegen unternahm. Sie war schließlich Ärztin , um Himmels willen! Der frühmorgendliche unerwünschte Traum war bestimmt schon der zwanzigste dieser Art, den sie in diesem Monat erlebt hatte. Zwar unterschieden sich die Träume in ihren Einzelheiten, doch das zugrunde liegende Paradigma war immer dasselbe. Irgendetwas jagte sie, irgendein unbekannter Schrecken, und es hatte immer mit irgendeiner Verschränkung zu tun. Sonntagnacht war ihr eingebildeter Peiniger ein Wasserlebewesen gewesen, das Mal zuvor eine schaurige fliegende Kreatur.
Arzt, heile dich selbst . Oder bitte zumindest einen Kollegen darum. Es gab jede Menge leicht zu beschaffender Medikamente, die die Effekte der hormonellen Veränderung, die ihr Körper zurzeit durchmachte, lindern konnte. Doch sie hatte sie einfach nicht genommen. Was war sie doch für eine gute praktizierende Medizinerin. Heute Abend , sagte sie sich. Vor dem Abendessen wollte sie eine Anfrage ausfüllen und sich das entsprechende Rezept besorgen, damit sie das Medikament gleich nach der Arbeit abholen konnte. Als wären dasUnbehagen und die Scham über die Albträume noch nicht schlimm genug, musste sie auch noch jedes Mal das Bett frisch beziehen.
Zumindest konnte sie sich freuen, denn es war Freitag. Der Samstag lag unverplant vor ihr, offen und einladend. Vielleicht würde sie Suzanne und Leora anrufen, damit sie drei das Wochenende im Dubaia-Park verbringen konnten, um sich ein wenig Luxus zu gönnen, die Spas zu nutzen und sich an den Stränden der künstlichen Inseln an der Südküste zu entspannen.
Der bloße Gedanke daran erfüllte sie schon mit neuer Energie. Daher beschloss sie, an diesem Morgen nicht das übliche schlichte weiße medizinische Unisexgewand anzuziehen, sondern entschied sich für ein leichtes Businesskostüm in Taubenblau mit kurzen Ärmeln und kurzem Rock. Das würde ihren Kollegen ebenso den Tag versüßen wie ihr selbst. Sie grinste schelmisch, als sie sich Rajeevs Reaktion darauf vorstellte. Auch wenn er sie nicht häufig zu Gesicht bekam, war er der felsenfesten Meinung, dass sie tatsächlich Beine hatte.
Bevor sie ihr Apartment verließ, um mit dem Fahrstuhl nach unten zur Arbeit zu fahren, beschloss sie, noch schnell den Laborbericht zu überprüfen, der ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen war, seitdem sie ihn das erste Mal gehört hatte. Der Gedanke an das winzige verschwundene Gerät aus unmöglichen Bestandteilen reichte aus, um die letzten Überreste ihres Albtraums aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Zwar führte die andauernde Spekulation über die Herkunft und Funktion des Implantats, das sie aus dem Hinterkopf von Cara Gibson geholt hatte, nur zu einer noch größeren Verwirrung, doch sie sah das als willkommene Abwechslung zu der andauernden Nervosität und Frustration ob der unausweichlichen hormonellen Veränderungen an, die momentan in ihrem Körper stattfanden.
Die Arbeit selbst half ihr auch dabei, sich abzulenken. Selbst eine Allgemeinmedizinerin wie sie musste sich mehr konzentrieren und anstrengen, als es ihre Vorgänger vor vielen Jahren hatten tun müssen. Wie sie hatten diese Aspirin und Bettruhe verschrieben, gebrochene Knochen gerichtet und Impfstoffe verabreicht, Symptome untersucht und besondere Tests angeordnet, um bestimmte Krankheiten isolieren zu können.
Doch keiner von ihnen hatte die Ursache für eine Infektion in einem dritten Auge herausfinden müssen. Von keinem war erwartet worden, eine Diagnose darüber zu stellen, ob die zunehmend instabile Knochenstruktur eines kompletten Gesichtsmelds auf einer gescheiterten Operation, einer schlechten Wartung auf Seiten des Patienten oder auf den schädlichen Effekten eines erst kürzlich verbotenen Selbstbräunungszusatzes beruhte.
Zwar behandelte sie keine Patienten, die nicht wenigstens dreizehn Jahre
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