Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
Vom Netzwerk:

    »Nur einer«, verbesserte der
Sowjetbürger Stephan. »Der andere war zum Glück Soldat .«
    Der Sowjetbürger Stephan
Bordonny hatte mit einer andern als der gewohnten Stimme gesprochen.
    »Es freut mich, daß sich jemand
noch meines Vaters erinnert«, fügte er bei.
    Sie gingen hinaus, ohne weiter
von der Werkstatt zu reden.
    Draußen fanden sie einen
bleiernen Himmel vor, der Sturm androhte.
    »Ich wohne in jenem Hause«,
sagte Stephan. »Wir sollten dort sein, bevor die Sintflut kommt. Während wir
dort auf das Aufhören des Regens warten, kann ich euch alle sonst noch
gewünschten Angaben machen .«
    Sie langten eben beim Hause an,
als die ersten Tropfen niederstürzten. Es war ein ländliches, armes Haus, aber
sauber und einladend, mit einer geräumigen Küche unter geschwärzten Balken und
einem großen Ofen.
    Peppone hatte sich von seiner
Überraschung noch nicht erholt.
    Sie nahmen am langen Tisch
Platz.
    »Im Jahre 39 war ich zum
letztenmal in der Werkstatt von Torricella«, sagte Peppone wie zu sich. »Ich
hatte eine gebrauchte ›Balillar‹ gekauft und fand nicht heraus, was dem Motor
fehlte .«
    »Eine verbogene Kurbelwelle«,
erklärte Stephan. »Ich habe sie wieder in Ordnung gebracht. Diese Kleinigkeiten
überließ der Vater mir. Und lief sie dann gut ?«
    »Sie läuft immer noch«,
antwortete Peppone. »Dann also, jener magere Bub mit dem schwarzen Haarbüschel
über den Augen...«
    »Ich war neunzehn Jahre alt«,
brummte Stephan. »Damals hatten Sie keinen Schnauz...«
    »Nein«, mischte sich Don
Camillo ins Gespräch. »Er hat ihn wachsen lassen, nachdem man ihn wegen
belästigender und widerlicher Trunkenheit sowie nächtlicher antifaschistischer
Scharmützel ins Gefängnis gesteckt hatte. Bei dieser Gelegenheit hat er sich
das Zeugnis verdient, ein politisch Verfolgter zu sein, und so das Recht
erworben, kommunistischer Senator zu werden .«
    Peppone schmetterte eine Faust
auf den Tisch.
    »Ich habe auch noch anderes
vollbracht !« rief er aus.
    Stephan schaute jetzt Don
Camillo an.
    »Und auch Sie«, brummte er
schließlich, »haben kein fremdes Gesicht. Sind Sie auch aus der Gegend ?«
    »Nein«, antwortete Peppone
rasch. »Er wohnt dort, wurde aber importiert. Du kannst ihn nicht kennen. Sage
mir vielmehr: Wie bist du hierhergelangt ?«
    Stephan breitete die Arme aus.
    »Warum an das erinnern, was die
Russen großmütig vergessen haben ?« sagte er mit seiner
Stimme, die wieder eisig klang. »Wenn ihr weitere Erklärungen über die Kolchose
wünscht, stehe ich zu eurer Verfügung .«
    Da schaltete sich Don Camillo
ein.
    »Freund«, sagte er, »hab keine
Sorge, weil er kommunistischer Senator ist. Reden wir von Mensch zu Mensch. Die
Politik hat dabei nichts zu suchen .«
    Stephan blickte zuerst Don
Camillo und dann Peppone in die Augen.
    »Ich habe nichts zu verbergen«,
erklärte er. »Es ist eine Geschichte, die hier in Grevinec alle kennen. Aber da
niemand davon spricht, möchte nicht einmal ich davon sprechen .«
    Don Camillo hielt ihm das
Päckchen ›Nazionali‹ hin.
    Draußen war die Sintflut
losgebrochen, und der Wind warf die Wasserströme gegen die kleinen Scheiben der
beiden Fenster.
    »Seit siebzehn Jahren träume
ich davon, wieder einmal eine ›Nazionale ‹ zu rauchen«, sagte Stephan und
zündete sich eine Zigarette an. »Ich kann mich nicht an Machorka und ans
Zeitungspapier gewöhnen. Sie zerreißen mir den Magen .«
    Er schluckte gierig einige Züge
und betrachtete dann das bläuliche Räuchlein, das langsam aus seinem Mund kam.
    »Die Geschichte ?« fuhr er fort. »Ich war als Soldat bei der Autozentrale.
Eines Tages erwischten uns die Russen. Das war Ende 42! Schnee und Frost zum
Krepieren. Sie trieben uns wie eine Schafherde vor sich her. Ab und zu stürzte
einer. Er stand nicht mehr auf; sie nagelten ihn mit einer Kugel in den Kopf
auf den schmutzigen Schnee der Piste. Schließlich war auch ich soweit, daß ich
stürzte. Ich verstand Russisch und konnte mich verständlich machen. Als ich
hinfiel, kam ein russischer Soldat herbei und stieß mich mit dem Fuß: ›Steh auf !‹ befahl er. –
    ›Towarischtsch‹, antwortete
ich, ›ich kann nicht mehr. Laß mich in Frieden sterben.‹ Das Ende der Kolonne – ich war einer der letzten – war
schon zehn Meter weit weg, und es begann zu schneien. Er schoß einen halben
Meter über meinen Kopf hinaus und knurrte: ›Schau, daß du rasch stirbst, und
bring dich nicht in die Patsche !«
    Stephan unterbrach sich.

Weitere Kostenlose Bücher