Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
Vom Netzwerk:
waren. Sie schauten mir zu, und
als ich fertig und der Kühler voll kochendem Wasser war, bestieg ich den
Traktor.
    Gott hatte beschlossen, mich um
jeden Preis zu retten: der Motor lief sofort und ging wie eine Uhr. Ich
versuchte eine Runde um die Remise herum, dann brachte ich ihn an seinen Platz
zurück.
    Ich reinigte mir die Hände mit
einem Lumpen, sprang hinunter und präsentierte mich dem Offizier mit erhobenen
Armen. Sie lachten mir ins Gesicht. ›Wir überlassen ihn dir, Genosse‹, sagte
der Offizier zum Chef, ›auf deine Verantwortung. Wenn er durchbrennt, bezahlst
du für ihn.‹ Da begann auch ich zu lachen. ›Herr Hauptmann‹, antwortete ich,
›Rußland ist groß, und ich brenne höchstens bis zu jener Isba dort hinten
durch, wo es ein hübsches Mädchen hat, das mir sehr gefällt, auch wenn es mich
dem Sekretär des Distriktkomitees der Partei anzeigt.‹ Der Offizier schaute
mich an: ›Du bist ein tüchtiger italienischer Arbeiter. Warum bist du gekommen,
die sowjetischen Arbeiter zu bekämpfen ?‹ Ich sagte
ihm, ich wäre gekommen, weil man mich hergeschickt habe. Ich wäre
Chefmechaniker der Autozentrale gewesen, und die einzigen Russen, die ich je
getötet hätte, wären zwei Hühner gewesen, die unter die Räder meines Lastwagens
gekommen seien .«
    Draußen war die Sintflut zu
einem wahren Orkan geworden.
    Stephan stand auf und sprach
russisch in ein Feldtelefon hinein, das sich in einer Ecke befand. Nach kurzem
kehrte er von dort zurück.
    »Man sagt, ihr könntet
hierbleiben. Die andern wurden im Stall Nummer drei, der Gottes Haus ist,
blockiert .«
    »Und dann ?« fragte Don Camillo.
    »Dann begann für mich eine
Teufelsarbeit, denn ich reparierte alle Maschinen, richtete die Werkstatt und
die Remise ein, und als ich endlich an mich denken konnte, war der Krieg schon
seit zwei Jahren aus. Der Vater des polnischen Mädchens war gestorben, und ich
heiratete das Mädchen. Dann gingen weitere Jahre vorbei, und mir und meiner
Frau wurde die Sowjetbürgerschaft zugesprochen .«
    »Und du hast nie an die
Heimkehr gedacht ?« erkundigte sich Don Camillo.
    »Wozu? Um den Haufen Schutt zu
sehen, unter dem mein Vater, meine Mutter und mein Bruder starben? Hier
behandeln sie mich jetzt wie einen der ihren. Ja sogar besser, weil ich etwas
leiste und mein Handwerk verstehe. Wer erinnert sich dort noch an mich? Ich bin
im Nichts verschwunden wie die vielen, die in Rußland verlorengegangen sind .«
    Gerade in diesem Augenblick kam
es zu einer unerwarteten Störung. Die Türe ging plötzlich auf und ließ,
zusammen mit einem Wasserschwall, ein seltsames Vieh herein, eine Art
dunkelhäutigen, nassen Tausendfüßler.
    Mit einem Schrei stürzte sich
Stephans Frau, die weiß der Himmel woher gesprungen kam, auf die Türe und
schloß sie wieder. Darauf fiel die nasse Haut von dem Untier ab, und von dem
zerfetzten Wachstuch befreit, unter das sie sich vor dem Regen geflüchtet
hatten, erschienen sechs Kinder, eines schöner als das andere, sechs
Orgelpfeifen von sechs bis zwölf Altersjahren.
    »Freund, bist du wirklich in
Rußland verloren ?« rief Don Camillo aus.
    Stephan schaute Don Camillo
nochmals verstohlen an.
    »Und doch«, erklärte er dann,
»muß ich Euch irgendwo gesehen haben .«
    »Wahrscheinlich nicht«,
antwortete Don Camillo. »Immerhin, auch wenn es so wäre, vergiß, mich gesehen
zu haben !«
     
    Es waren sechs guterzogene
Kinder. Sie krähten wie Hühnchen, aber es genügten drei Worte der Mutter, um
sie zum Verstummen zu bringen. Sie setzten sich ruhig auf die Ofenbank und
plauderten leise.
    »Sie sind noch klein«, erklärte
die Frau mit einem seltsamen, doch klaren Italienisch. »Sie hatten die kranke
Großmutter vergessen .«
    Don Camillo erhob sich.
    »Wir möchten sie begrüßen«,
sagte er.
    »Sie wird darüber sehr erfreut
sein«, rief die Frau lächelnd aus. »Sie sieht nie jemanden .«
    Sie stiegen die Leiter hinauf
und gelangten in eine niedere Estrichkammer. Eine verkümmerte Greisin lag auf
einem Bett mit weißem, faltenlosem Linnen.
    Stephans Frau sprach polnisch
mit ihr, und die Alte lispelte etwas.
    »Sie sagt, der Herr segnet
jene, die die Kranken besuchen«, erklärte Stephans Frau. »Sie ist eine alte
Frau, und man muß ihr verzeihen, wenn ihr Geist noch im Vergangenen verweilt .«
    Über der Kopfwand des Bettes
war ein Bild an die Mauer geheftet, und Don Camillo näherte sich neugierig.
    »Es ist die Schwarze Madonna !« rief er aus.
    »Ja«, erklärte leise

Weitere Kostenlose Bücher