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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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gedauert, vielleicht nur ein paar Minuten. Don Camillo wußte es nicht;
er fand sich erst wieder, als er am Küchentisch saß mit Peppone ihm zur Seite
und Stephan vor sich.
    Jetzt blitzte die Sonne, und im
Halbdunkel des Ofens blitzten aufgerissene Augen, die seine Augen suchten, mehr
noch als die Sonne. Don Camillo zählte sie, und es waren ihrer sechzehn: zwölf
Augen der Kinder, zwei der Mutter und zwei der Greisin.
    Aber diese zwei befanden sich
nicht in einem der Gesichter, die vom Halbdunkel des Ofens umschleiert waren,
sondern er sah sie in seinem Geist, weil er nie zwei Augen, die ihn auf diese
Weise angeschaut hätten, begegnet war und sie nicht mehr aus seinem Gedächtnis
entfernen konnte.
    Die Genossin Nadia Petrowna erschien
auf der Schwelle.
    »Alles in Ordnung ?« fragte sie.
    »Alles völlig in Ordnung«,
antwortete Don Camillo und erhob sich.
    »Wir sind dem Genossen Oregow
dankbar, daß er uns einen technischen Fachmann wie den Bürger Stephan Bordonny
zur Verfügung stellte«, ergänzte Peppone, indem er Stephan die Hand drückte und
sich der Tür näherte.
    Don Camillo war der letzte, der
hinausging, und als er auf der Schwelle war, wandte er sich um und machte rasch
das Zeichen des Kreuzes. Er flüsterte:
    » Pax vobiscum . «
    »Amen«, antworteten die Augen
der Greisin.

Die Folgen des großen Regens
     
    W ie es das amtliche Programm
bestimmte, wurde das Mittagessen den italienischen Gästen von den Bauern der
Kolchose Grevinec dargeboten; alle waren über die freiwillige Geste gerührt.
    »Genosse«, teilte Don Camillo
hinter der Hand dem Genossen Peppone mit, der ihn aus Vorsicht zum
Tischnachbarn erkoren hatte, »ich verabscheue jene, die alles im Ausland besser
als zu Hause finden. Aber angesichts dieser gesunden Kohlsuppe kann ich es nicht
vermeiden, mit Grausen an unsere heimischen Teigwaren zu denken .«
    »Genosse«, entgegnete ihm mit
verkniffenen Lippen Peppone,
    »nach dem, was du alles diesen
Morgen angerichtet hast, verdientest du eine Minestra mit Nägeln in einer
Arsenikbrühe .«
    »Oh, fast sind wir soweit«,
knurrte Don Camillo.
    Zum Ausgleich taten Lammbraten
und Wodka ihre Pflicht befriedigend, so sehr, daß sich Peppone am Schluß zum
Dank an die Wirte verpflichtet fühlte.
    Um der Wahrheit zu genügen: es
war ein sehr banaler Erguß, dem der Genosse Oregow mit nicht weniger banalen
Worten antwortete.
    Zum Glück gab es den Genossen
Don Camillo. Das außergewöhnliche Abenteuer, das er kurz vorher im Hause
Stephans erlebt hatte, und ein paar Gläser Wodka hatten sein Herz entzündet und
die Ohren erwärmt. Nachdem er sich eine großartige Abschußrampe aus granitenen
Worten von Marx, Lenin und Chruschtschow errichtet hatte, startete er wie ein
Sputnik und schoß eine Rede los, die einem den Atem raubte.
    Sogar die Genossin Petrowna,
die Satz für Satz genau übersetzte, verriet in der Erregung der Stimme ihre
Begeisterung. Und die Augen des Genossen Kommissärs Yenka
    Oregow funkelten wie im
Widerschein einer großen Flamme.
    Don Camillo sprach von der
Kolchose Grevinec wie von einem lebenden Geschöpf, und wahrscheinlich bemerkten
die Kolchosenbauern eine Kleinigkeit, die sie vorher nie festgestellt hatten:
nämlich, daß sie wichtige und glückliche Menschen waren.
    Als er mit einem Finale à la
Verdi, das dem Peppone zwei haselnußgroße Tränen entlockte, seine Ansprache
schloß, brach prasselnder Beifall los. Der Genosse Oregow sprang auf die Füße
und umklammerte Don Camillos Hand, die er immer wieder schüttelte, als ob er
eine Feuerwehrpumpe betätigte. Und während er pumpte, sprach er rasch in
erregtem Tone.
    »Der Genosse Oregow sagt«,
übersetzte Nadia Petrowna,
    »daß die Partei Männer wie dich
für die landwirtschaftliche Propaganda braucht und es gerne hätte, wenn du
bliebest. Wir haben spezielle Schulen, und du könntest die russische Sprache
sehr schnell lernen .«
    »Ich danke dem Genossen
Oregow«, antwortete Don Camillo.
    »Ich bitte ihn nur um die Zeit,
meine Frau und meine kleinen Kinder zu versorgen. Ich kehre zurück .«
    »Er gewährt dir die nötige
Zeit«, erklärte Nadia Petrowna, nachdem sie mit dem Genossen Oregow gesprochen
hatte. »In jeder Schwierigkeit weißt du, wohin du dich wenden mußt .«
    Die Kolchosebauern tischten
weiteren Wodka auf, und als die
    »Erkürten« den Rückweg
antraten, war es schon spät am Nachmittag.
     
    Die Sintflut hatte die Straße
in eine Art Schlammfluß verwandelt. Um den Autobus in diesem Brei vorwärts

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