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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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Analytiker, Taktiker und Logistiker. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Lwowsky schlendert nicht, Lwowsky will ankommen. Er ist ein nüchterner Enthusiast, und sein zügiger Gang verriet: Lwowsky ist Läufer. Als er sich am ersten Tag der Saison vor dem Trainingszentrum vorstellte, das Telefon am Ohr, war mir nicht klar, dass Konstantin Lwowsky meine Sicht auf das Spiel Basketball komplett verändern würde. Er warf seine Taschen in den Bus. »Du bist der Schreiber?«, fragte er. »Wir reden später. Ich bin Konsti.«
    Um sieben kamen die Spieler. Die meisten kannten sich, sie hatten schon zusammen gespielt oder trainiert. Alle hatten voneinander gehört. Die Basketballwelt ist klein, man spricht übereinander. An diesem ersten Tag der Saison ist alles mit Bedeutung aufgeladen. Die Spieler begrüßten sich mit ungelenken Shugs, den männlich-schüchternen Handschlag-Umarmungs-Kombinationen, die es überall gibt, wo Männer unter sich sind: im Hip-Hop, im Militär, im Sport. Den Trainern wurde respektvoll zugenickt, mir wurde die Hand gereicht. Untereinander sprachen sich die Trainer mit »Coach« an (eine Familie mit gleichen Namen).
    »Good morning, Coach!«

    »Good morning, Coach!«
    Konsti stand an der Bustür und sammelte die Reisepässe ein. Ich stand dabei und wusste nicht, ob die anderen wussten, was ich hier machte (ich wusste es selbst nicht). Es war kurz nach sieben am Sonntagmorgen, viel zu früh für Basketballprofis, aber alle waren pünktlich, alle waren ausgestattet, alle waren uniformiert.
    Ein Spieler nach dem anderen fuhr vor, parkte, lud sein Gepäck ab und übergab es dem dicken Micha. Die Nachwuchsspieler zuerst: Kleiner, Joshiko Saibou, Joey Ney und Andreas Seiferth, alle mit dem Traum, irgendwann einmal Vollprofi zu sein, alle auf dem Sprung dahin. Dann die Serben in einem Auto: Marko Marinovi ć , ein kleiner, drahtiger Aufbauspieler, der in der letzten Saison mit Valencia den Eurocup gewonnen hatte. Er lachte, man sah ihm an, dass er sich auf die Saison freute. Marinovi ć freute sich oft, er hatte am Höhepunkt seiner Karriere einen schweren Autounfall überlebt – er schien ständig erstaunt zu sein, dass er immer noch Profisportler war.
    Der Flügelspieler Tadija Dragi ć evi ć galt als Rohdiamant. Er war bei Roter Stern Belgrad einmal der beste Spieler der Adriatic League gewesen, aber dann hatte ihn eine schwere Knieverletzung aus der Bahn geworfen. Nach einer schwierigen letzten Saison in der ersten italienischen Liga bei Lottomatica Rom hatte ihn Luka Pavi ć evi ć nach Berlin geholt. Die beiden kannten sich, sie hatten 2005 gemeinsam Bronze bei der U20-Europameisterschaft gewonnen. In diesem Jahr ging es um Tadijas Karriere als Basketballprofi. Dragi ć evi ć trug ein Kreuz um den Hals und wippte nervös von einem Bein auf das andere.
    Der amerikanische Guard Hollis Price hatte bereits 2005/06 eine Saison für Alba gespielt, war Publikumsliebling geworden und danach zu einer beeindruckenden europäischen Karriere aufgebrochen. Er hatte in Spanien, Litauen, Russland und Italien gespielt. Jetzt war er zurück. Von den tragischen Geschichten, die man sich über Hollis erzählte, vom Hurricane Katrina, von Crack und Krebs in der Familie war nichts zu ahnen. Sein breites Lächeln hatte ihn weit gebracht, also lächelte Hollis breit. Er stieg als Erster in den Bus, setzte seine Kopfhörer auf und beobachtete die anderen: den großen Flügelspieler Derrick Allen, der gerade erst aus Frankfurt nach Berlin gekommen war, ein höflicher Mannaus Gadsden, Alabama, der ständig auf den Zehenspitzen stand, was seine Bewegungen hektisch aussehen ließ. Immanuel McElroy, einen der wenigen Spieler, die schon im letzten Jahr dabei gewesen waren. Er war schwer tätowiert und seit Jahren der beste und härteste Verteidiger des Teams. Er sei Vater von drei Kindern und trotzdem ein einsamer Mann, wird man mir später erzählen, ein schwieriger Charakter.
    Mannschaftsarzt Hi-Un Park schleppte seinen Medizinkoffer über den Parkplatz, ein permanent freundlicher Deutsch-Koreaner im Kapuzenpulli, dem man weder sein Alter noch seinen Beruf ansah. Der Coach stieg aus einem Taxi, ein paar Unterlagen im Arm. Sein Gesicht war müde, die Augen wach, Professor Mika hielt einen Kaffee für ihn bereit. Pavi ć evi ć nickte und vertiefte sich drei Reihen vor mir sofort in seine Papiere.
    Zuletzt kamen die Veteranen: der deutsche Nationalspieler Sven Schultze mit einem Becher Kaffee in der Hand, Breite und Härte von

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