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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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der die Drecksarbeit machte. Er war ein gut aussehender Mann, das Publikum hatte ihn zwar nicht geliebt, aber dennoch respektiert und gemocht, obwohl er für den großen Rivalen Bamberg zwei Meisterschaften gewonnen hatte. Hamann war für sie Bamberg gewesen, dann hatten sie ihn »Steffi« und »Susi« genannt. Hamann hatte einen Dreijahresvertrag über insgesamt 650.000 Euro netto bei Alba unterzeichnet, eine ungewöhnlich lange Vertragslaufzeit im deutschen Basketball. In Berlin hatte er sich wohlgefühlt. Alles war perfekt gewesen: Spieler, Management und Trainer hatten eine gemeinsame Vorstellung der Zukunft geteilt.
    Als diese Vorstellung dann nicht wahr wurde, als die Titel ausblieben, hatte sich die Meinung gewandelt. Der Coach und die Vereinsführung waren während der beiden gemeinsamen Spielzeiten zu der Überzeugung gekommen, dass Hamanns Qualitäten in erster Linie Image und Marketing gewesen waren, sein Kampfgeist auf Außenwirkung bedacht, eine Aufopferung für das Rampenlicht. Hamann habe richtigen Einsatz nur dann gezeigt, wenn ihm jemand dabei zugesehen habe. Er hätte zum Spielmacher und Kopf der Mannschaft werden sollen, aber er habe keinen Aspekt seines Spiels verbessert. Hamann hatte zu viel nebenher gemacht, zu viel dieses und jenes. Unter Zukunft hatte man sich bei Alba etwas anderes vorgestellt, also traf man eine unpopuläre Entscheidung und löste den Vertrag auf.
    Pavi ć evi ć hatte Hamann die Entscheidung persönlich mitgeteilt. Sie hatte für böses Blut gesorgt und Kreise gezogen: »Alba reißt sich seindeutsches Herz raus«, titelte der Berliner Kurier . Hamann hatte in einem Interview Vorwürfe gegen Alba erhoben und Manager Marco Baldi hatte gekontert. Hamanns Agent Marko Peši ć war sauer auf Coach Pavi ć evi ć gewesen, Pavi ć evi ć war sauer auf den Agenten. Mithat Demirel war gleich zu Beginn seiner ersten Saison zwischen die Fronten geraten. Die Verhandlungen mit Peši ć s anderem Klienten Heiko Schaffartzik gerieten ins Stocken. Hamann hatte seine Wohnung in Prenzlauer Berg erbost verlassen. Man hatte martialisches Vokabular verwendet, alte Freunde wollten sich die Beine brechen, ewige Rache wurde geschworen.
    Die Zeitungen berichteten ein paar Tage über diese allseitige Wut, dann wurden Hollis Price und Marko Marinovi ć als Nachfolger Hamanns vorgestellt. Alle Beteiligten wussten insgeheim, dass man eine Einigung finden würde. Peši ć und Demirel würden wieder miteinander sprechen, denn Peši ć repräsentierte etliche andere Spieler in Albas Kader. Pavi ć evi ć würde mit zwei neuen Spielmachern in die Saison gehen. Steffen Hamann würde für das groß angelegte Basketballprojekt Bayern München spielen. Er würde in München gutes Geld verdienen, aber sein Bild würde weiterhin auf den Alba-Mülllastern durch Berlin fahren und neben dem Mannschaftsbus an der Ampel warten.
    Es war eigentümlich leise im Bus. Alle hatten Hamann gesehen, jeder machte sich seine Gedanken. Profibasketball, notierte ich in mein Notizbuch, ist anders, als gescheiterte Spieler und Sportromantiker wie ich sich das vorstellen. Müllwagen. München. Moneyboy. Dann war der Moment vorbei, der Müllwagen fuhr an, der Bus musste noch warten. »Steffi verpisst sich«, stellte jemand fest.
    Als wir den Flughafen erreichten, stand der Coach auf. »Gentlemen«, sagte er und wartete einen Moment, dass Jenkins seine Kopfhörer abnahm und die Gespräche verstummten. Gentlemen. Der Coach nickte erst aus dem Fenster, dann fixierte er seine Mannschaft. Alle rechneten mit einer Grundsatzrede, aber Pavi ć evi ć überlegte es sich anders. Die Bustüren öffneten sich mit hydraulischem Zischen. »Welcome to Alba Berlin,« sagte er und stieg aus. Dann kletterte ein Spieler nach dem anderen ungelenk und mühsam hinterher, wie Riesen eben klettern, sie staksten über den Parkplatz und ins Terminal, zum Check-in für Flug AB 8912 nach Klagenfurt. Das Warten hatte ein Ende, wir waren unterwegs.

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UNIVERSE OF FUN

    KRANJSKA GORA, AUGUST 2010
    DER ERSTE FREIE TAG und Mithat Demirel spielte Katz und Maus mit seinem Gegner. Wir saßen auf einem Tennisplatz am Waldrand des Dorfes und sahen zu, wie Mithat den Assistenztrainer Konsti von einer Ecke des Tennisplatzes in die andere scheuchte. Die Augustsonne stand steil auf dem roten Sand, dem Nadelwald und den felsigen Karawanken dahinter. In der Ferne zog ein Gewitter heran. Wir hatten eine Woche harter Arbeit hinter uns, jetzt machte die Mannschaft Pause. Der

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