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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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einige zentrale Spielszenen. Er sagt wenig, weil er davon ausgeht, dass Konsti ihn versteht. Katzurin hat Vertrauen in seine Coaches. Er lässt Bobby und Konsti manchmal das komplette Training leiten, er selbst steht hochkonzentriert am Rand und beobachtet die Laufwege der Spieler und ihreKörpersprache. Er hält die Arme verschränkt. Er hat zahllose Playoff-Spiele gespielt, er hat erwachsene Kinder, er wirkt gelassen. »Die Kunst des Coachens«, sagt Muli, »ist die Kunst, mit Tatsachen umzugehen und zu arbeiten. Und wenn es sein muss: Improvisation. Improvisation!«
    Anders als Luka Pavi ć evi ć hält Katzurin es für möglich, dass Dinge manchmal nicht zu ändern oder zu kontrollieren sind: das Wetter, Flugpläne, Schiedsrichterentscheidungen, der Spielplan der Liga, wirtschaftlicher Spielraum des Clubs, Wesenszüge und Qualitäten der Spieler. Allein sein Alter scheint ihm Probleme zu bereiten (ich werde ihn nicht nach seinem Grund für die getönten Haare fragen). Seine eigene Spielerkarriere wurde durch den israelischen Militärdienst beendet. Hinter seiner Gelassenheit und dem taxierenden Blick schlummert eine konsequente Härte. Katzurin trinkt nicht und achtet auf seine Ernährung. Katzurin spielt Basketball, um zu gewinnen. Er ist Pragmatiker im Handeln und Idealist im Denken. Er ist nicht gläubig, er hegt keinen Groll. »Ich hasse es zu verlieren«, hat er bei der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung gesagt. Er lamentiert nicht herum, er bereitet das vor, was man vorbereiten kann. Sein Jüdischsein hat die Journalisten anfangs reflexartig interessiert, denn es wäre eine leicht verständliche Geschichte gewesen: der Jude in Berlin. Aber für einen Spaziergang zum Holocaust-Memorial samt Fototermin hat er keine Zeit.
    »Vergangenheit ist Vergangenheit«, sagt Coach Katzurin, »Basketball ist Basketball.«
    Katzurin ist ein großer Ironiker, oft bleiben seine Witze nahezu unbemerkt. Sein Lächeln ist immer höflich, es reicht in kaum sichtbaren Nuancen von kalt bis ehrlich. Oft wirkt er gedankenversunken, oft sieht er dann unvermittelt auf und sagt, was er denkt. »Heute machen wir der Mannschaft keinen Druck«, sagt Coach Katzurin kurz vor Oldenburg in den Bus. »Den macht sie sich selbst.«
    »Wir wollen gewinnen. Nur darum geht es heute. Wir wollen gewinnen.« Der Coach steht in der Oldenburger Kabine, Mac reißt seine Dose eine Sekunde zu spät auf, man hört eine dramaturgisch ungeschickte Klospülung irgendwo über der Kabine. Die Umkleide in Oldenburgkennt man aus Schulen, Holzbänke, Duschen und Klos nebenan. Die Konzentration ist nicht so hoch wie noch drei Tage zuvor. Katzurin redet, und Mithat schielt auf die Speisekarte von Joey’s Pizzaservice vor ihm auf der Bank. Er wird Hunger haben. »Letztlich ist das einfach ein Basketballspiel. Wir haben über alles geredet. Wenn Gill rechts geht, brauchen wir Hilfe. Wir rotieren so, dass die Mitte zu ist. Wir haben darüber geredet, Derrick! Körper einsetzen, Offensivfoul annehmen, nicht den Wurf blocken. Wir wollen schnelles Spiel, Side Pick&Roll-Transition, aber mit guten Entscheidungen. Gute Entscheidungen! Und wenn es schnell nicht geht, spielen wir in aller Ruhe unser Spiel. Stellt euch breit auf, schafft Raum. Spacing! Wir spielen in fremder Halle, also keine Abenteuer. Keine Abenteuer! Wir müssen ständig kommunizieren. Kommunikation! Wir wollen keine offenen Würfe. Dieses Team kann treffen. Wir wollen nicht, dass sie Selbstbewusstsein bekommen. Keine offenen Würfe! Wenn sie irre Würfe treffen: kein Problem, kann vorkommen. Aber keine offenen Würfe! Keine! Offenen! Würfe!« Der Coach pausiert, er wischt auf seinem Taktikbrett herum und sammelt sich. Er spricht ruhig weiter.
    »Das Spiel kann hässlich werden. Hässlicher Basketball. Hässliches Geschubse. Ich habe das schon gesagt: Don’t be right, be smart! Wir wollen den Sieg, sonst nichts. Wenn ihr einen abbekommt, geht ihnen nicht gleich ins Gesicht. Wir brauchen kein heißes Blut, Miro, wir brauchen jeden einzelnen Spieler. Wir sind die bessere Mannschaft, aber es wird heute nicht einfach. Ich habe heute zu viel geredet. Let’s go!« – »Let’s go, guys!«, brüllt Schultze, und die Fäuste gehen zusammen, die Spülung über uns spült erneut, die Tribünentoiletten müssen direkt über uns liegen. Und weil Femerling nicht dabei ist, erledigt Derrick heute den Schlachtruf. Coach Katzurin und Bobby gehen in die Halle, Schultze fragt den Doc nach Aspirin und Tommy nimmt die

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