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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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von entscheidender Bedeutung für Alba – wirtschaftlich und sportlich. Im höchsten europäischen Wettbewerb würde man gegen attraktive Gegner spielen, den litauischen Meister Kaunas, Partizan Belgrad, den polnischen Champ Asseco Prokom Gdynia (Sopot), Spaniens Meister Vitoria und Maccabi Tel Aviv, in weiter Ferne wartete der FC Barcelona. Die Zuschauer würden die Halle füllen. Man könnte den Etat erhöhen, es gäbe Fernsehgelder, man wäre attraktiver für weitere Sponsoren. Man hätte die letzte Saison vergessen machen können.
    Aber der Weg dorthin war schwierig und die Zeit knapp. In der ersten Runde musste man gegen Roanne in Frankreich antreten, Hin- undRückspiel, dann Israel oder Serbien, schließlich gegen Charleroi aus Belgien oder Kazan aus Russland. »Du fliegst erst nach Moskau, dann noch drei Stunden weiter nach Osten.« Die Qualifikation würde nicht einfach, befürchtete Konsti. »Man kann ohne Weiteres gegen Kazan verlieren, da braucht man sich nichts vorzumachen. Und man müsste sich noch nicht einmal dafür schämen. Aber im Herbst kann man fast nichts Deprimierenderes machen, als nach Russland zu fahren und zu verlieren.«
    In der letzten Woche hatte Pavi ć evi ć die Spieler morgens und abends in die Schützenstraße gebeten, um rechtzeitig bereit zu sein, Shuttle Runs und Spielsysteme, Gewichte und Wurfserien. Lucca Staiger wirkte hoch motiviert, er kämpfte in der Verteidigung und warf mit sichtbarem Selbstbewusstsein. Wenn sich die anderen langsam aufwärmten, war Lucca bereits klatschnass geschwitzt. Staiger schien sich Großes vorgenommen zu haben, die Beschreibungen des Trainers schienen nicht richtig zu passen. Während ich Staiger im Training beobachtete, wurde mir klar, warum ich niemals Profi geworden war. Lucca Staiger und ich waren exakt gleich groß. Er war nicht der beste Spieler von Alba Berlin, er war jung und versuchte, sich in die Rotation zu kämpfen. Aber Lucca Staiger war ein so viel besserer Basketballspieler, als ich es jemals gewesen war oder hätte sein können. Ihn und die anderen spielen zu sehen, ließ meinen alten Traum fast lächerlich erscheinen und mich melancholisch werden.
    Ich hatte mit einem anderen Spieler gerechnet. Für einen Shooting Guard wirkte er bullig, aber er war schnell und seine Bewegungen in der Defense waren zackig. Er hatte einen sehr sauberen und treffsicheren Wurf und konnte viel höher springen, als ich gedacht hatte. Sein Überkopfpass war sagenhaft schnell. Auch in zwei Trainingsspielen gegen KK Union Olimpija Ljubljana spielte er gut.
    Bryce Taylor war auf dem Feld zögerlich, aber er entschied das zweite Spiel gegen Ljubljana mit einem Wurf in letzter Sekunde, obwohl jemand sagte, dass er Probleme mit dem Innenohr hatte, Gleichgewichtsstörungen. Das Aufbauduo Marko Marinovi ć und Hollis Price schien langsam in Form zu kommen. Femerling hatte in der Kabine herumgewitzelt, aber mit Furor und Ehrgeiz gespielt und trainiert. Nach einem zweifelhaften Pfiff des Schiedsrichters war Luka Pavi ć evi ć an der Seitenlinie explodiert: »Warum pfeifst du nicht? What the fuck? Das istdein Job!« Nach dem Spiel war er schweigsam gewesen. »Ich konzentriere mich auf meinen Beruf«, hatte er gesagt und eine Weile nachgedacht. »Wer Erfolg will, muss besessen sein.«

    Eine Saison im Profibasketball ist eine Reihung von »wichtigsten Spielen der Saison«. Ständig geht es ums Weiterkommen, um das Halten des Niveaus, um die Aura des Siegers.
    Das erste Qualifikationsspiel zur Euroleague verlor Alba in Roanne mit 86:79. Das Rückspiel musste mit mindestens sieben Punkten gewonnen werden. Am Vorabend des entscheidenden Spiels ließ Pavi ć evi ć das Team noch einmal hart trainieren. Er erschien unrasiert und blass in der O2 World, aber er wirkte überaus konzentriert und gespannt. Um die Mannschaft auf die Aufgabe vorzubereiten, hatte sich der Coach Yassin Idbihi ausgesucht, einen klugen Mann mit Prinzipien, der Kritik verstand und an dem ungerechtfertigter Tadel einfach abtropfen würde. »You haveto be mean, Yassin!«, hatte er gesagt. »Du darfst nicht weich sein. In der Euroleague gibt es keine Freunde!« und »Yassin, Yassin, Yassin, die VIP – Plätze sind gleich hinter der Bank. Zu denen kannst du freundlich sein.«
    Nachdem die Spieler die Halle verlassen hatten, vermaß der Coach mit gesenktem Kopf das Spielfeld, er schien Positionen abzugehen, manchmal blieb er stehen und sah auf die leeren Tribünen. Als die Lichter ausgingen, war Pavi

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