Gentlemen, wir leben am Abgrund
Angespannt vielleicht. Positive Anspannung. Ich bin in entscheidende Spiele mit einer gewissen Freude gegangen, ich habe Bock gehabt, solche Spiele sind der Grund, warum man das alles macht.«
War die Entlassung von Luka eine richtige Entscheidung? »Es war die einzige Entscheidung, die möglich war. Ohne diese Entscheidung hätten wir den Ausweg aus dieser Situation nicht gefunden. Also ja! Das Spiel unter Luka war zuletzt kein Spiel, das war Verwaltung einer Idee von Spiel.«
Hat er ein schlechtes Gewissen nach der Entlassung von Luka Pavi ć evi ć ? »Wenn man auf diesem Niveau arbeitet und wenn man Sport gemacht hat, weiß man, dass es in so einem Verein wie Alba Berlin nicht um Einzelpersonen geht«, sagt Mithat, »es geht um Wichtigeres. Zunächst einmal hat man mit Luka ja sehr lange zusammengearbeitet. Und dabei über lange Zeit nicht die Spannung zu verlieren, ist erstmal bemerkenswert. Der Käse schmeckt richtig schlimm«, sagt er, »viel zu hart.«
Ist das Team jetzt besser? »Wenn man sich das Engagement ansieht, klar. Wenn die Jugos und Amis und Deutschen zusammen auf der Terrasse sitzen, klar. Das ist eine andere Mentalität. Bei Luka war das nicht so. Aber tatsächlich besser ist das Team nur, wenn man gewinnt.«
Gibt es zwischen diesen Gruppen so große kulturelle Unterschiede? »Man hört ja immer: Jugos können nicht nebeneinander existieren, da geht es immer ums Ficken oder Geficktwerden. Amis sind immer nächstes Jahr weg, denen ist alles egal. Deutsche philosophieren und vergessen darüber das Basketballspielen und wären ohne Quote sowieso nicht hier.«
Stimmt das? »Dazu kann ich nichts sagen.« Der Kellner bringt ein perfektes Alsterwasser. »Glückwunsch!«, sage ich. »Danke!«, sagt Mithat lachend und hebt sein Glas Richtung Kellner. »Richtig gut, euer Käse!«
Déjà-vu vor dem Hotel. Den Nachmittag über steht Coach Katzurin in Hemd und Krawatte vor dem Bus, seine Schläfen schimmern weiß. Mithat hat mit Jens Staudenmayer von der Liga telefoniert. »Wir sind das Fernsehspiel. Die Schiedsrichter wissen also, dass sie beobachtet werden«, sagt er und startet seine Krawattenknoten-App auf seinem iPhone.
Bobby dreht ein Armband aus Türkisen um die Finger. Der dicke Micha fährt langsam durch die schläfrige Stadt, Regenwolken ziehen auf. In der Halle baut das Fernsehteam seine Kameras und Scheinwerfer auf. Während sich die Spieler warm werfen, sehe ich mich um. Ich bin nervöser, als ich es erwartet habe, die untätige Zeit vor Spielbeginn reibt an meinen Nerven. Die Oldenburger Arena ist voller als noch letzte Woche, die Zuschauer sind schon eine halbe Stunde vor Spielbeginn auf ihren Plätzen. Der Sieg in Berlin scheint die Oldenburger neu belebt zu haben. Eine Frau hat zwei Klatschpappen aneinandergeklebt, Berlin 86: EWE 99 Ich war dabei! hat sie darauf geschrieben. Heute sind zwei Fanbusse aus Berlin angereist, aber die Zuversicht der letzten Woche hat einer unterschwelligen Angst Platz gemacht, niemand hält zuversichtliche Plakate hoch. Auf den Presseplätzen sind zwei Arbeitsplätze für die Frankfurt Skyliners reserviert, der Co-Trainer Klaus Perwas und der Sportdirektor Kamil Novak beobachten das Warm-Up. Frankfurt wartet auf seinen nächsten Gegner, die Skyliners sind bereits weiter. Auf den Plätzen für die ehrenamtlichen Helfer der Oldenburger liegt ein Ablaufplan für den Abend aus, »Besten Dank für Euren Einsatz und viel Spaß beim HAMMER – Spiel heute!« steht dort und darunter in roten Großbuchstaben: BEAT BERLIN !!! Die Mannschaften laufen ein. Per Mertesacker setzt sich auf seinen Platz und die Halle applaudiert, das Fernsehen geht auf Sendung. Huddle. Ich nehme meinen Platz neben Marco Baldi ein. Thunderstruck spielt. Man sieht die freudige Erwartung von Yassin Idbihi, im Halbdunkel sieht man Mithats Anspannung. Kruni ć zieht den Krawattenknoten enger, Bobby bekreuzigt sich, Coach Katzurin wiederholt noch einmal die Schlüsselpunkte, man kann seine Lippen lesen, Rebound! Defense! Fokus! Die Lichter gehen an.
Die erste Halbzeit ist ausgeglichen. Es geht hin und her, Miro eröffnet mit einem Dunk, aber Paulding und Baynes können das auch, es steht 8:8. Im letzten Spiel war Alba in Foultrouble geraten, aber heute will Coach Katzurin die Foulbelastung gering halten. Die Halle ist auf angenehme Weise aggressiv. Coach Katzurin wechselt durch, im ersten Viertel kommen bereits elf Spieler zum Einsatz. Beide Mannschaften treffen schlecht und verteidigen hart,
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