Gentlemen, wir leben am Abgrund
zugehen müssen. Es wird um eine gewisse Öffnung gehen, um Gestaltungsmöglichkeiten. Am Ende ist natürlich die Mannschaft der Fahnenträger. Sie sind diejenigen, die durch ihr Spiel die Emotionen vermitteln, die den Verein verkörpern. Dadurch, wie sie spielen, wie intensiv, wie erfolgreich. Ob sie cool sagen: „Ich mach hier meinen Job und vielleicht sind wir am Ende gut genug, um irgendwie Erfolg zu haben, also was wollt ihr?“ Oder ob sie in jedem Spiel bereit sind, sich komplett hinzugeben. Auf Leidenschaft kommt es an. Die ist wichtig für unser Projekt.
Ist auf jeden Fall eine große Aufgabe, finde ich. Mir persönlich geht es so, wenn ich nach Hagen komme. Da kommst du in die Halle und die Halle fällt auseinander, obwohl sie gerade neu gebaut ist. Aber da ist Improvisationsgeist und Verankerung. Da ist Bier und Bratwurst. Da sind 3000 Leute, die das Verlieren gewohnt sind, aber die zeigen großen Enthusiasmus. Aber das sind nur 3000 Leute, das ist natürlich ein Unterschied.
Auch das muss man erst mal hinkriegen. Natürlich ist in Berlin die Erwartungshaltung und der Anspruch höher. Das, was woanders toll ist, das ist in Berlin stinklangweilig. Ich glaube nicht, dass man so etwas künstlich aufsetzen kann. Ich glaube aber, dass auch in Berlin ein starker Wunsch nach Identifikation ist. Aber erstmal sindhier die Kategorien anders. Fußball ist unangefochten. Handball ist Volksmusik. Eishockey ist Rock’n’Roll. Und Basketball ist Jazz. Das steht für mich, das kann man sich nicht aussuchen. Da kann man so viel Bier reichen wie man möchte. Das wird am Ende, glaube ich, nicht zusammenkommen. Nehmen wir zum Beispiel Fußball. Natürlich ist die Stimmung in Dortmund oder Bochum – zu besseren Zeiten – oder in Duisburg eine andere als bei Bayern München. Man muss gucken: wo liegt das Potenzial? Wer entwickelt sich weiter? Was ich damit sagen will, ist einfach: Basketball ist facettenreich. Diese Facetten wird’s immer geben. Wenn du unter Berliner Basketballfans eine Befragung machst, werden sicher viele sagen: Ich möchte zurück in die Sömmeringhalle, wo die CHRISTEL (?) die Cola aus der Zweiliterflasche eingeschenkt hat. Du konntest die kaum trinken, aber du kanntest jeden, der da war und es war – mmh! Natürlich erinnern sich die Leute nostalgisch daran. Insgesamt wird man sich so aber nicht weiterentwickeln und wettbewerbsfähig bleiben können. Man lässt immer etwas zurück, das ist keine Frage. Aber wichtiger ist: was kann man gewinnen? Da spielen hundert Faktoren eine Rolle. Ich würde niemals sagen: Das ist der Weg, nur so geht’s in Deutschland. Aber in letzter Konsequenz geht es darum, dass man seine Möglichkeiten, seine Besonderheiten, seine Umgebung aufnimmt und weiterentwickelt. Am Ende muss es immer eine Entwicklung geben, sonst verschwindet man. Ein Beispiel aus deiner Ecke: Schalke. Das ist genau das Gefühl: Bratwurst, Pils, Arbeitermilieu. Aber die haben die modernste Arena Europas. Die haben’s geschafft, diese vermeintlichen intellektuellen, kulturellen und emotionalen Widersprüche aufzulösen. Wenn du jetzt eine Umfrage machst bei den Schalkern, wo’s eigentlich schöner war, dann wirst du wahrscheinlich von einem relativ hohen Prozentsatz hören: Glückaufkampfbahn, aber die Veltins-Arena ist auch wirklich super. Man kann da schon sehr ordentlich stehen und hat nicht ständig Regen im Nacken.
Ich finde, die Halle ist eine richtig gute Basketballhalle, wenn sie voll ist. Eine Potenzialhalle.
Richtig. Und das will entwickelt werden. Am Ende geht’s darum, dass wir insgesamt stärkere Bindung zu den Menschen entwickeln. Dass wir offen bleiben für Leute, die sich für uns interessieren möchten. Dass wir aktiv sind, dass wir ihnen die Möglichkeit geben, sich für uns zu interessieren. Es geht darum, dass wir auf vielen Ebenen in der Berliner Gesellschaft verankert sind. Das muss zusammenwachsen. Ich glaube, dass es beinahe logisch ist, dass es zusammenkommt. Aber von alleine passiert das nicht. Das müssen wir schon tun.
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FROM DUSK TILL DAWN
ARTLAND, 7. APRIL 2011
ZUM ZWEITEN MAL IM NIRGENDWO, Romantikhotel Aselager Mühle, dreißig Kilometer entfernt von Quakenbrück. Wieder Morgenlauf mit Konsti, wieder vorbei an Gänsen, Hühnern, Schweinen, Kühen, bissigen Hunden (angekettet), Kaltblutpferden und mehreren Kirchen (protestantisch). Klare Luft und Düngegeruch, die Aprilsonne scheint flach über die Felder. Über dem Grundstück kreisen
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