Gentlemen, wir leben am Abgrund
snappin’ pussy, we got silk pussy, velvet pussy, Naugahyde pussy, we even got horse pussy, dog pussy, chicken pussy! Come on in, pussy lovers!«
Manchmal bekamen Bobbys Widersprüche tragikomische Züge. Er stilisierte sich gern als Casanova, kam aber ständig allein. »I decided to go alone«, sagte er dann, ein einsamer Cowboy ohne Heimat sei er, schon lange geschieden. Aber Bobby telefonierte jeden Tag zwei Stunden mit seinem Sohn, um ihm bei den Hausaufgaben zu helfen. Der Junge lebte bei seiner Mutter, Bobby sah ihn nur im Sommer und in den Weihnachtsferien. Er trinke nicht, sagte Bobby, aber er mochte Whisky und Longdrinks. Bobby erwähnte oft, dass er gerade zehn Kilo verloren habe, konnte aber in fünf Minuten eine Tüte Gummibärchen aufessen. Er liebte Weingummi. Auf den langen Busfahrten sah er Krzysztof-Kieślowski-Filme und las in der Bibel. Er rauchte hinter dem Bus und trug weiteHemden und Hosen. Bobby liebte Boxen, er zitierte Muhammad Ali immer dann, wenn er nicht Tarantino zitierte: »They ain’t gonna say that I’m good; I’m the bad and the ugly one; but I am the greatest!« Bobby ging in die Sauna, wenn dort mit niemandem sonst zu rechnen war.
Nach fünf Niederlagen in Serie gewann die Mannschaft unter Coach Katzurin ein Spiel gegen Bayreuth, dann schlugen wir den Mitfavoriten Oldenburg in fremder Halle. Miro Raduljica wurde verpflichtet, Taylor Rochestie kam. Man gewann in Frankfurt. Ende März spielte das Team in Berlin gegen Bamberg und verlor nur knapp, 93:97. »Das beste Spiel seit 25 Jahren«, schrieb ein Blogger. »Kann man mit arbeiten«, sagte Bobby. »Aber wenn sich einer verletzt, sehe ich schwarz.« Bobby wickelte sich wieder in seine Tücher und lachte. »I’m telling you«, sagt er. »Heute Abend verlieren wir mit zwanzig. Und dann kann ich gleich durchfahren nach Skopje.«
Zum Spiel gegen Quakenbrück war McElroy gar nicht erst mitgekommen, denn er musste in Berlin seinen Rücken behandeln lassen. Quakenbrück hatte fünf Siege in Serie auf dem Konto und im Winter in Berlin gewonnen. Es ging um den direkten Vergleich beider Teams. Coach Katzurin schien seine Rotation gefunden zu haben: Rochestie führte Regie und passte präzise, Julius punktete, Miro dominierte unter dem Korb und Bryce war seit einigen Wochen ein völlig anderer Spieler. Alba kam gut aus der Kabine und spielte Quakenbrück an die Wand. Jedes Viertel ging an Berlin. Ich notierte mir wenig, das meiste war klar. In der Halbzeit spielte Bobby mit seinen Amuletten, er schlug ein Kreuz, als er die Halle wieder betrat. »Siehst du?«, sagte er zu mir, eine Hand auf seinem Kreuz. »Wir gewinnen mit zwanzig.«
Apropos Symbole: In einer Auszeit gegen Ende des Spiels wurde Tadija Dragi ć evi ć auf die Bank beordert und zerrte vor Ärger über seine Leistung und Spielzeit an seinem Trikot, »wieso spiele ich nur so verdammt miserabel«, schien er sich selbst zu fragen, er griff mit beiden Händen an den Kragen, als wolle er sich selbst schütteln und aufwecken. Die Welt des Profisports ist voller Symbole, das Trikot und das Logo des Vereins sind die wichtigsten. Aber als Tadija ausgewechseltwurde und zu seinem Platz auf der Bank ging, war sein Ärger oder seine serbische Rumpfkraft so groß, dass er das Trikot am Kragen in zwei Hälften riss, ein langer, fransiger Riss bis mitten auf die Brust. Tadija erschrak. Er sah sich um, ob jemand sein zerfetztes Trikot bemerkt hatte. Bobby erschrak und wendete den Blick ab. Aus Tadijas Akt der Selbstbezichtigung war plötzlich eine symbolische Grenzverletzung geworden. »Dafür muss der Verein ihn bestrafen«, sagte Bobby später. »In Belgrad wäre er sofort entlassen worden. Seine Karriere wäre sofort vorbei.« Aber Tommy kam und klebte den Riss schnell und unauffällig mit Tape. Es sollte nichts schiefgehen an diesem Tag. Wir gewannen das Spiel mit 95:78 und überholten Quakenbrück in der Tabelle. Wenn wir uns nicht komplett dumm anstellten, würden wir Tabellendritter werden. Die Auswärtsfahrt nach Quakenbrück schuf Zuversicht. Noch vier Spiele, die reguläre Saison war fast schon Vergangenheit. Die Playoffs konnten kommen.
Ab jetzt war Gegenwart.
[Menü]
ONE FOR YOU, ONE FOR ME
FRANKFURT, 18. MAI 2011
DIE FRANKFURTER BALLSPORTHALLE RIECHT NACH POPCORN. Es ist, als wäre ein Kinosaal plötzlich hell erleuchtet und man nähme zum ersten Mal wahr, dass die Sitze knallbunt, der Geruch süßlich und die Ränge nur drei Viertel voll sind. Der Film ist nur noch eine
Weitere Kostenlose Bücher