Geopfert - [Gus Dury ; 1]
uns tust.«
»Ich hab doch nur –«
Er hob eine Hand. »Hör zu, nicht nötig. Ich will, dass du keinerlei Zweifel an dem Dank hast, den ich dir hierfür schulde. Es gibt sonst niemanden, der die Sache für mich … zum Abschluss bringen kann.«
Abschluss. Was war das denn? Himmel, ich sehnte mich nach einer Kippe.
»Dieses Rauchverbot ist ein ziemlicher Mist, stimmt’s?«, sagte ich.
»Oh, tut mir leid, du willst eine Zigarette. Sollen wir nach draußen gehen?«
»Nein, ich werde nach oben gehen. Ich muss sowieso noch packen.«
»Packen?«
»Ja. Ich werde für eine Weile ausziehen.«
»Aber warum? Wohin willst du denn?«
»Ich muss eine Zeitlang untertauchen, Col. Keine Sorge, es ist nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste. Ich muss nur mal eine Weile etwas Abstand zwischen mich und dieses Leben bringen.«
»Steckst du in Schwierigkeiten, Gus?«
»Nein. Himmel, nein. Ich muss jetzt einfach nur eine Weile abtauchen und mich bedeckt halten, wenn ich an diese Bande herankommen soll.«
»Verstehe. Du willst undercover weiterarbeiten.«
Undercover. Bitte. Sah mich schon bei einer Observierung mit einer Tüte Doughnuts.
»Ja. So ähnlich.«
A uf dem Weg nach oben kam ich an einem Bild im Flur vorbei, das meine Aufmerksamkeit erregte. »Cannis Dury, Endspiel Schottland-Cup 1978« stand da auf dem Rahmen. Wie hatte ich das bislang übersehen können? Ich starrte das Foto eine komplette Minute lang an. Er hatte gerade ein Tor geschossen. Nichts in der Art von einem Ryan Giggs, der sein Trikot wie ein Lasso kreisen ließ. Seinen Augen war kaum etwas anzumerken. Dass er ein Tor geschossen hatte, wusste ich einzig und allein, weil er den Ball unter seinem Arm hatte. Zurück zur Mittellinie, es wartete mehr Arbeit. Kein Herumkaspern. So hat er gespielt.
Mein Vater hatte einen Ruf als Libero, brüllte sich jedes Spiel heiser. Neben ihm hätte Vinnie Jones wie ein Shandy-Nuckler ausgesehen. Ich traf einmal einen seiner alten Gegenspieler, der ihn mit einem einzigen Wort treffend beschrieb: »Erbittert.« Diese Kurzbeschreibung habe ich nie toppen können.
Ich drehte das Bild zur Wand.
Den Schlüssel zur Wohnung hatte ich in der Hand, als mein Handy klingelte.
»Hallo?«
»Ah, der Unerschrockene persönlich!«
»Milo?«
»Was dachten Sie denn? Es gibt nicht viele mit so einem breiten irischen Akzent wie mich, jedenfalls nicht mehr, seit Dave Allen gestorben ist.«
Ich lachte leise. »Schön, von Ihnen zu hören.«
»Blödsinn, Sie leben doch wie die Made im Speck, nichts auf der Welt, was Ihnen Kummer und Sorgen macht, am allerwenigsten ein alter Schwanz, wie ich einer bin.«
Er hatte mich entlarvt, aber ich konnte nicht verbergen, wie sehr ich mich freute, seine Stimme zu hören. »Wie geht’s Ihnen denn nun, Kumpel?«
Trockenes Husten gefolgt von schallendem Gelächter. »Oh, super, super. Die Ärzte gehen davon aus, dass ich noch ein paar Wochen habe!«
Sein Geplapper klang furchtbar angesichts seines Alters und des Lebens, das er führte. Ich hätte ihn nicht mehr bewundern können. »Hören Sie auf, Sie bringen mich noch um!«
»Ich höre sofort auf, das mache ich. Um mal eine Sekunde ernst zu sein, Gus …« Milos Stimme wurde ganz leise, seine Worte vibrierten in meinen Ohren. »Ich hab mich gefragt, na ja, eigentlich hab ich gehofft, ob Sie mir wohl einen Gefallen tun könnten –«
Ich fiel ihm ins Wort. »Um was geht’s denn, Milo?«
»Tjaaa, also, es ist – Sie werden mich für einen großen alten Blödmann halten.«
»Nein, niemals.« Er hatte es geschafft, dass ich mir Sorgen machte, hörte er sich doch langsam ziemlich ängstlich an. »Worum geht es?«
»Falls Sie mal ein bisschen Zeit haben, Gus, meinen Sie, ob Sie mir dann wohl einen kleinen Besuch abstatten könnten?«
»Klar mache ich das. Mein Gott, Milo, es wäre mir sogar ein Vergnügen. Habe ich nicht gesagt, dass ich schon bald vorbeikomme?«
»Nein, Gus, Sie verstehen das falsch. Ich meine keinen Freundschaftsbesuch.«
»Was?«
Ich hörte, wie er den Hörer von einer Hand in die andere nahm, dann senkte sich seine Stimme zu kaum mehr als einem Flüstern. »Hier sind ein paar sehr merkwürdige Dinge im Gange.«
»Sie müssen etwas lauter sprechen, ich verstehe Sie kaum.«
Wieder wurde der Hörer bewegt, und dann: »Ein paar sehr junge Frauen, bleich wie Gespenster waren sie, und –« Er unterbrach sich abrupt.
»Milo? Milo, sind Sie noch da?«
»Ich kann jetzt wirklich nicht mehr sagen – es geht um
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