Geopfert - [Gus Dury ; 1]
in den Schaufenstern einen Blick auf meine Zähne zu werfen. Waren das wirklich meine? Tja, nein. Aber, Gott, sie sahen gut aus. Mit solchen Zähnen und ein bisschen Sonnenbräune könnte ich mich vielleicht als ganz normaler Kerl ausgeben.
Vielleicht auch nicht.
Ich kehrte in die Wirklichkeit zurück und erinnerte mich, dass ich mich um Verschiedenes kümmern musste. Nadja durfte schon sehr bald mit einem zweiten Besuch von mir rechnen. Aber vorher war ein Besuch bei Mac the Knife angesagt.
A uf dem Weg, mir einen Kaffee zu besorgen, ging ich bewusst an zwei Starbucks vorbei. Schließlich entschied ich mich für ein Lokal am Ende einer Seitenstraße, die zur Tollcross führt. Eine Gegend mit billigen Mietwohnungen. Ich gab dem Laden noch einen Monat, bis er renoviert wurde.
Ich nahm mir eine Mädels-Illustrierte und fand eine dieser Die-zehn-schlechtesten-Listen – über Promi-Zitate. Jade Goodys dämliche Äußerungen beherrschten die Top Five, aber Mariah Carey schoss für mich den Vogel ab: »Ich bin eifersüchtig auf äthiopische Kinder. Ich wäre wahnsinnig gern genauso dünn wie sie, bis auf die Fliegen und die ganzen Toten.«
Ein klarer Fall für eine verdiente Ohrfeige.
Während ich in der Illustrierten herumblätterte, spürte ich jemand hinter meiner Schulter. Drehte mich um und sah einen bärtigen Penner über mir aufragen. Er sah aus wie einer von der alten Sorte, Fischgrätjacke und die Hose mit einem Stück Schnur oben gehalten. Was früher gelegentlich als Gentleman der Landstraße bezeichnet wurde. Er hätte sich mühelos als einer von van Goghs Kartoffelessern ausgeben können.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich.
»Marks and Spencer’s.«
Hatte keinen Schimmer, was er da redete. »Wie bitte?«
Er beugte sich zu mir herunter. Mich streifte eine Duftschwade, die mich zu einer Bewegung in die entgegengesetzte Richtung veranlasste. »Das«, sagte er und berührte die Illustrierte mit einer Hand in Halbfingerhandschuh.
»Die Illustrierte …?«
»Die Werbung für Markies, das ist mein Pitch. Verdien inzwischen ein nettes Sümmchen damit, kann ich dir sagen.«
Ich bot ihm die Illustrierte an. »Hier, nehmen Sie.« Ich hoffte, er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und machte die Biege, aber er faltete sie nur in der Mitte und legte los.
»So, siehst du diese junge Twiggy da?«
Ich nickte. Himmel, warum mussten die immer zu mir kommen?
»Das ist der Look, hinter dem die da drin alle her sind. Sie wollen alles, große schlabbrige Pullover, schicke Hosen – ja, sogar die Hüte!«
Ich verlor die Geduld. »Super – aber darf ich mal fragen, gibt’s auch einen Grund dafür?«
Er sah verblüfft aus. »Gibt es einen Grund für irgendwas?«
Wenn einem ein Penner philosophisch kommt, dann hört man zu.
»Was ich sagen will, ist, mein Pitch hat angefangen sich auszuzahlen. Ich bin auf der Gewinnerseite, seit Twiggy mit diesen Anzeigen angefangen hat. Die Frauen kaufen die Klamotten und die Hüte und alles, die knausern nicht groß rum. Die sehen mich draußen sitzen, nachdem sie ein tolles schickes Outfit in die Finger bekommen haben, und lassen sich nicht lumpen.« Er hob die Illustrierte. »Ich muss Twiggy wirklich für eine Menge dankbar sein.«
»Ich bin sicher, sie wäre begeistert, das zu hören. Warum schreiben Sie ihr nicht einfach einen Fanbrief?« Ich stand auf, trank meinen Kaffee aus. »Wenn ich’s mir recht überlege, tun Sie’s lieber nicht, sonst verlangt sie noch einen Anteil.«
Vor dem Café fotografierten zwei uniformierte Abfallinspektoren einen Haufen nasser Pappkartons, die neben eine Reihe Mülltonnen geschmissen worden waren. Sie warfen mir einen Blick zu, den ich schon eine Million Mal zuvor gesehen hatte, und der sagte: »Wir sind dazu bevollmächtigt, hast du ein Problem damit?«
Ich schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln mit meinen neuen Zähnen. »Einen schönen guten Morgen, die Herren.«
Das haute sie total um, sie wussten nicht, ob ich sie gerade richtig verarschte oder ob ich es ernst meinte. Ich wünschte mir, dass sie mich fragten, ob ich irgendwas über die Kartons wüsste – damit ich sie so richtig zur Schnecke machen, ihnen zeigen konnte, wie viel Autorität sie wirklich besaßen, aber sie warfen nur einen kurzen Blick auf meine Zähne und ignorierten mich.
Ich ging zu Macs Salon. Durch das Fenster sah ich, dass keine Kunden da waren. Mac saß auf einem der leeren Stühle und las ein Buch.
Als ich eintrat, ertönte ein elektronischer Ton.
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