Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Mann mit einem Kanu kam hinter mir herangeschlendert. Ich drehte mich um, dachte kurz daran zu fragen und wandte mich dann wieder ab. Ich wollte es gar nicht wissen.
Als der Bus kam, versuchte der Mann mit dem Kanu hinter mir einzusteigen.
Der Fahrer sagte: »Sie können hier nicht rein!«
»Warum nicht?«, erwiderte der Typ mit dem Kanu.
»Weil man mit einem Kanu nicht in einen Bus einsteigen kann.«
»Wär’s Ihnen lieber, wenn ich paddle?«
Das gefiel mir, dem Fahrer allerdings nicht, der sich von seinem Platz erhob und aussah, als könnte er dem Burschen jeden Augenblick eine reinlangen, worauf dieser abschwirrte. Ein Mann, der mit einem Kanu eine belebte Straße hinunterrennt, ist kein alltäglicher Anblick, nicht mal in Edinburgh.
Ich setzte mich neben einen alter Knacker mit einem Gipsverband am Arm. Er trug ein enges T-Shirt, Rippen wie ein Toastständer ragten darunter hervor.
»Sie sehen aus, als wären Sie im Krieg gewesen«, meinte er.
Und das von einem Kerl mit gebrochenem Arm. »Autounfall«, log ich.
Er zwinkerte. »Aye, klar doch.«
»Wie bitte?«
»In der Badewanne ausgerutscht, großer Mann?«
Ich versuchte es mit einem Lachen abzutun. Stieg an der nächsten Haltestelle aus. Ich konnte nicht durch die Gegend rennen, solange ich aussah wie eines der zahllosen Opfer in einem Steven-Seagal-Film, also rief ich Cols Zahnarzt an. Durch irgendein Wunder gab er mir sofort einen Termin.
Im Wartezimmer nahm ich einen Ikea-Katalog in die Hand. Das Ding wimmelte von glücklichen Pärchen, Kindern mit rosigen Wangen und freundlich aussehenden Hunden. Und alle hatten perfekte Zähne. Sogar die Hunde. Einen Moment lang wollte ich ein Ikea-Leben leben. Der Moment ging vorüber.
Ich nahm die Gratiszeitung zur Hand, die Metro. Ein Bild zeigte eine knapp zweiundvierzig Kilo schwere Zyste, die Ärzte einer korpulenten Frau unlängst herausoperiert hatten. In dem Artikel stand, die Zyste wog genauso viel wie Paris Hilton. Also, wenn sie die rausschneiden könnten, dann wäre das mal eine Geschichte, die ich gern lesen würde.
Mein Name wurde aufgerufen.
Meine Nerven zuckten.
Als ich mich auf den Behandlungsstuhl setzte, spürte ich, wie sich mir die Eier zusammenzogen.
Der Zahnarzt hieß Klaus. »Da haben wir aber einen recht beträchtlichen Schadensumfang«, sagte er. »Wie haben Sie das angestellt?«
Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde log ich. »Bei einem Rugby-Spiel.«
»Sie sollten vorsichtiger sein.«
»Ja, ist ein rauhes Spiel.«
»Ich meine, in Ihrem Alter. Rugby zu spielen. Das ist Selbstmord.«
Wenn man mich im Moment vor die Wahl stellte, Rugby zu spielen oder mich umzubringen, ich wüsste, wofür ich mich entscheiden würde. Was mir aber echt an die Nieren ging, war die Sache mit »in Ihrem Alter«. Ich bin erst Mitte dreißig, aber offenbar sah ich aus, als hätte ich schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel.
Klaus versorgte mich mit einem Satz Provisorien. Versprach mir eine komplette neue obere Reihe, Brücken, das ganze Zeug, bis Ende des Monats.
Er gab mir einen Spiegel.
»Wow«, sagte ich. Sie sahen superweiß aus und waren pfeilgerade. Ich konnte’s nicht fassen, dass mein Mund so gut aussah.
»Ich könnte mit denen hier leben.«
»Die kommen in ungefähr einer Woche wieder raus, dann setze ich richtige Brücken ein.«
»Super. Schön, ich begleiche die Rechnung, wenn der Job erledigt ist.«
Zu meinem Entsetzen schluckte er das. Schätzte, ich würde auch noch in einer Woche dafür geradestehen – falls ich so lange durchhielt.
Ich musste mich bei Hod melden und rief ihn an. »Was geht, Mann?«
»Mein Gott, dann bist du also noch unter uns?«
»O ja, keine Gefahr. Du musst dir schon mehr Mühe geben, um mich von der Bildfläche zu verdrängen. Wie geht’s Amy?«
Er mauerte, wechselte das Thema. »Hör mal, wann kommst du vorbei?«
»Warum? Was ist los?«
»Nichts. Scheiße, hier ist alles voll in Butter, verglichen mit dem, was du … du weißt schon.«
Ich spürte Risse in Hods Stimme und seiner Geschichte, aber ich hatte momentan über zu vieles nachzudenken, um weiter nachzubohren. »Okay, sauber. Ich melde mich, sobald ich … Behalt Amy für mich im Auge, hörst du?«
»Gemacht.«
»Aber nicht so nah!«
»Gus … komm schon, ich bin hier an der Sache dran.«
»Das ist eindeutig nicht, was ich hören will …«
Ein Lachen. »Sorry, war nur ein Versprecher.«
»Sorg dafür, dass es der letzte war. Auf ein andermal.«
Auf der Straße versuchte ich
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