Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Henker.
Simon Renard : Eure Majestät hat auf das Gebetbuch Ihrer Mutter geschworen, daß sie ihn nicht begnadigen würde.
Königin : Hier ist ein Freibrief, den er mir überschickt, und worin ich ihm auf meine königliche Krone schwöre, daß ich es tun werde. Die Krone meines Vaters ist so viel wert, als das Gebetbuch meiner Mutter. Ein Eid hebt den andern. Übrigens, wer sagt Euch denn, daß ich ihn begnadigen werde?
Simon Renard : Er hat Euch sehr frech betrogen, Madame.
Königin : Was geht das mich an? Alle Männer machen es ebenso. Ich will nicht, daß er stirbt. Seht, Mylord – Herr Vogt, wollte ich sagen – mein Gott! Ihr macht mir den Kopf so wirr, daß ich in Wahrheit nicht mehr weiß, mit wem ich spreche, – seht, ich weiß Alles, was Ihr mir sagen werdet. Daß er ein erbärmlicher Mensch, eine Memme, ein Schurke ist: ich weiß es so gut, als Ihr, und ich erröte darüber; aber ich liebe ihn. Was soll ich machen? Einen wackeren Mann würde ich vielleicht weniger lieben. Außerdem, wer seid ihr alle denn, so viel ihr seid? Seid Ihr mehr wert, als er? Ihr werdet mir sagen, daß er ein Günstling ist und daß das englische Volk die Günstlinge nicht liebt. Weiß ich denn nicht, daß Ihr ihn nur stürzen wollt, um an seinen Platz den Grafen von Kildare, diesen Geck, diesen Irländer, zu bringen? Und wenn er zwanzig Köpfe täglich fallen macht, was geht das Euch an? Und sprecht mir nur nicht von dem Prinzen von Spanien. Ihr lacht selbst darüber. Sprecht mir nicht von dem Mißvergnügen des Herrn von Noailles, des französischen Gesandten. Herr von Noailles ist ein Dummkopf, und ich werde es ihm selbst sagen. Endlich, ich bin ein Weib, ich will und will nicht, ich bin nicht aus einem Stücke. Das Leben dieses Menschen ist meinem Leben notwendig. Schneidet doch nicht ein so jungfräuliches und aufrichtiges Gesicht, ich bitte Euch. Ich kenne alle Eure Schliche. Unter uns, Ihr wißt so gut, als ich, daß er das Verbrechen nicht begangen hat, wofür er verdammt wurde. Das ist abgekartet. Ich will nicht, daß Fabiani stirbt. Bin ich Herrin, oder nicht? Seht, Herr Vogt, sprechen wir von etwas Anderem, wollt Ihr?
Simon Renard : Ich ziehe mich zurück, Madame. Euer ganzer Adel hat durch meinen Mund gesprochen.
Königin : Was kümmert mich der Adel!
Simon Renard bei Seite: So versuchen wir es mit dem Volke. Er geht mit einer tiefen Verbeugung ab.
Königin allein: Er ist mit einer sonderbaren Miene hinausgegangen. Der Mensch ist im Stande, etwas in Bewegung zu bringen. Ich muß schnell nach dem Stadthause. – He, Jemand!
Meister Äneas und Joshua treten auf.
Fünfte Szene
Die Königin, Meister Äneas, Joshua
Königin : Seid Ihr es, Meister Äneas? Dieser Mann und Ihr müßt sogleich für die Flucht des Grafen Clanbrassil sorgen.
Meister Äneas : Madame…
Königin : Halt, ich vertraue mich Euch nicht an. Ich erinnere mich, daß Ihr zu seinen Feinden gehört. Mein Gott! ich bin also nur von Feinden des Mannes umgeben, den ich liebe. Ich wette, der Schließer da, den ich nicht kenne, haßt ihn auch.
Joshua : So ist es, Madame.
Königin : Mein Gott! mein Gott! dieser Simon Renard ist mehr König, als ich Königin. Wie! Niemand hier, dem ich mich anvertrauen, Niemand, dem ich Vollmacht geben könnte, um Fabiani entwischen zu lassen!
Jane tritt hinter dem Pfeiler hervor: Doch, Madame! Ich!
Joshua bei Seite: Jane
Königin : Du? wer du? Ihr seid es, Jane Talbot? Wie kommt Ihr hierher? Ah! das ist gleichgültig, Ihr seid da. Ihr kommt, Fabiani zu retten. Danke. Ich sollte Euch hassen, Jane, ich sollte eifersüchtig auf Euch sein, ich habe tausend Gründe. Aber nein, ich liebe Euch aus Liebe zu ihm. Dem Schaffot gegenüber keine Eifersucht mehr, nichts als Liebe. Ihr seid wie ich. Ihr verzeiht ihm, ich sehe es wohl. Die Männer, sie begreifen das nicht. Lady Jane, verständigen wir uns. Wir sind beide sehr unglücklich, nicht wahr? Man muß Fabiani entwischen lassen. Ich habe nur Euch, ich muß Euch wohl dazu brauchen. Ich bin wenigstens sicher, daß Euer Herz dabei sein wird. Übernehmt es. Meine Herrn, ihr Beide gehorcht Lady Jane in Allem, was sie euch vorschreiben wird, und haftet mir mit eurem Kopfe für die Befolgung ihrer Befehle. Umarme mich, mein Kind.
Jane : Die Themse bespült den Fuß des Turmes auf dieser Seite. Es ist da ein geheimer Ausgang, den ich bemerkt habe. Ein Schiff da vor, und die Flucht macht sich auf der Themse. Das ist das Sicherste.
Meister Äneas : Unmöglich einen Nachen vor
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