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Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reclam
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als er 1850 seine Ausgabe der
Nachgelassenen Schriften
Georg Büchners herausbrachte, auf den
Woyzeck
. Neben der außerordentlichen Schwierigkeit, Büchners
Woyzeck
-Handschriften zu entschlüsseln, scheinen bei dieser Entscheidung auch inhaltliche Bedenken eine Rolle gespielt zu haben.
    Infolgedessen wurde das Drama erst vier Jahrzehnte nach seiner Entstehung veröffentlicht. Der österreichische Schriftsteller Karl Emil Franzos hatte Georg Büchners Nachlass nochmals gesichtet und dabei auch die
Woyzeck
-Fragmente entziffert und geordnet. Die von ihm hergestellte Fassung des Stücks erschien erstmals 1878 in einer literarischen Zeitschrift und dann 1880 in der Werkausgabe
Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlass
. Nach dem heutigen Stand der Forschung enthält diese Fassung viele Mängel. Schon der Titel,
Wozzeck
, ist ein Lesefehler. Im Übrigen ist er zudem eine Erfindung von Franzos, denn Georg Büchners Manuskripte weisen keinen für das Stück geplanten Titel aus und auch seine Briefe geben keinen Aufschluss darüber, wie er das Drama nennen wollte. Man sollte darüber aber das große Verdienst dieser Ausgabe nicht übersehen: Ohne sie wüssten wir möglicherweise bis heute nichts von diesem Drama, und die moderne Dramatik, die von kaum einem anderen Theaterstück ähnlich beeinflusst worden ist, hätte sich vermutlich in Teilen anders entwickelt. Büchner, dessen Begeisterung auslösende Entdeckung am Ende des 19. Jahrhunderts wesentlich an die Werkausgabe von Franzos geknüpft ist, wäre heute vielleicht ein weithin vergessener Autor.
    Erst in den Jahren nach 1920 erschienen weitere Ausgaben (Georg Witkowski, Fritz Bergemann), die unter anderem für den Titel die korrekte Lesung
Woyzeck
einführten und die Aufeinanderfolge der Szenen, die bei Franzos aus heutiger Sicht schlecht begründet war, stimmiger organisierten. Diese Fortschritte wurden später (in der zweiten Auflage der Ausgabe von Bergemann aus dem Jahre 1926) jedoch verhängnisvollerweise wieder zurückgenommen, was zur Folge hatte, dass für die nächsten Jahrzehnte eine Fassung des Stücks verbreitet, aufgeführt und in Schulen und Universitäten interpretiert wurde, die so nicht haltbar ist. Erst die historisch-kritische Ausgabe von Werner R. Lehmann von 1967 lieferte neue, verbesserte Einsichten. Ihr folgten die Editionen von Gerhard Schmid (1981), Karl Pörnbacher und anderen (Münchner Ausgabe, 1988), Thomas Michael Mayer (1990), Henri Poschmann (1992) sowie Burghard Dedner und Gerald Funk (2005). Auch diese Ausgaben unterscheiden sich noch voneinander, sind sich aber in wesentlichen Punkten über die plausibelste Abfolge der Szenen einig.
2. Textkonstitution
    Strittig auch zwischen den neueren Ausgaben sind nach wie vor die korrekten Lesungen vieler Wörter. Aufgrund des Zustands der Manuskripte, vor allem aber aufgrund der schweren Leserlichkeit und mancher Eigentümlichkeit von Büchners Handschrift ist auch bei genauester Untersuchung der Wörter nicht immer zu entscheiden, welche Buchstabendastehen und welche nicht. Den Handschriftenbefund haben vor allem die Herausgeber der Münchner Ausgabe sowie Henri Poschmann dahingehend ausgelegt, dass das Stück in hessischem Dialekt (mit zahlreichen Schwundstufen in den Endsilben der Wörter) geschrieben und folglich auch wiederzugeben sei. Allerdings hat Else Bockelmann in einer Untersuchung aus dem Jahre 1991 gezeigt, dass die zeitgleich mit dem
Woyzeck
ausgearbeiteten philosophischen Vorlesungen Georg Büchners über Descartes und Spinoza die nämlichen Wortverschleifungen aufweisen. Dass aber Büchner an der Universität Zürich Vorlesungen in hessischer Mundart habe halten wollen, ist wenig wahrscheinlich. Zudem sieht es so aus, als habe Büchner manche offenbar bewusst eingeflochtenen Dialektausdrücke sorgfältiger geschrieben, was zusätzlich gegen eine grundsätzliche Verwendung des Dialekts spricht.
    Für den Werkaufbau ist jedoch die Anordnung der Szenen entscheidender als die Wortebene. Vier Manuskriptteile sind überliefert, die nach den üblichen Gepflogenheiten der Editionswissenschaft die Bezeichnungen H1 (= Handschrift 1), H2, H3 und H4 erhalten haben.
    H1 besteht aus einer Folge von 21 teilweise nur angedeuteten, teilweise bereits ausgearbeiteten Szenen. Die Hauptpersonen heißen noch Louis und Margreth. Ihre alltäglichen Verhältnisse werden kaum dargestellt; ebenso wenig die Verführung Margreths, hier noch durch einen Unteroffizier. Der Schwerpunkt liegt auf der

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