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Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reclam
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Interpretation des
Woyzeck
näher beleuchtet werden sollen.
    1.
Woyzeck
ist ein tendenziell dokumentarisches Drama, insofern es eine historische Begebenheit behandelt und dabei auf authentisches Material zurückgreift. (Die »höchste Aufgabe« des Dramatikers »ist, der Geschichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen«.)
    2.
Woyzeck
schildert in einer die Geschichte des Dramas revolutionierenden Weise die Tragödie eines sozial Deklassierten. (»Man versuche es einmal und senke sich in das Leben des Geringsten […].«)
    3.
Woyzeck
revolutioniert nicht nur den Inhalt des herkömmlichen Dramas, sondern auch dessen Form. (»[…] und gebe es [das Leben des Geringsten] wieder, in den Zuckungen, den Andeutungen, dem ganzen feinen, kaum bemerkten Mienenspiel.«)
    1. Zahlreiche der näheren Umstände des im
Woyzeck
geschilderten Mordes hat Georg Büchner aus den veröffentlichten Quellen zu den Mordfällen Schmolling, Woyzeck und Dieß übernommen (vgl. 1. Erstinformation ). Die erste Entwurfsstufe des Dramas (H1, vgl. 4. Werkaufbau ) scheint hauptsächlich der Tat Schmollings nachgestaltet zu sein: Hier wie dort wird der Mordgedanke zur unwiderstehlichen Zwangsvorstellung; gehen dem Mord Angstzustände des Täters voran; versucht ein Arbeitskamerad den Täter durch Gesang von seinem düsteren Brüten abzulenken; holt der Mörder sein ahnungsloses Opfer zu einem gemeinsamen Spaziergang zum Tatort ab, der vor der Stadt liegt; macht der Täter vor der Tat dunkle Anspielungen; ruft das Opfer um Hilfe, woraufhin Leute hinzueilen und der Mörder flieht; kehrt dieser nochmals zum Tatort zurück, um das Messer zu suchen. Diese Schilderung der Tat nach Einzelheiten aus dem Mordfall Schmolling ist in der »Endfassung« (vgl. 4. Werkaufbau ) erhalten geblieben. Anzumerken ist jedoch, dass auch die näheren Umstände des von Johann Christian Woyzeck verübten Mordes in manchen Zügen denen des im Drama geschilderten Verbrechens gleichen.
    Viel detaillierter nutzte Georg Büchner die Dokumente über das Verbrechen Woyzecks im Hinblick auf die Vorgeschichte der Tat, deren Motive und die Charakterzeichnung des Täters. Dass der historische Woyzeck befürchtete, »von den Freimaurern verfolgt« zu werden, ist in den gerichtsmedizinischen Gutachten des Hofrates Clarus ebenso vermerkt wie seine Neigung zu »fortgesetztem Nachgrübeln« und seine Vorstellungen »über die Bedeutung der Träume, über Geistererscheinungen« und ähnliche übersinnliche Phänomene. Im Drama kommen diese fixen Ideen gleich in den ersten beiden Szenen zum Ausdruck. Die fünfte Szene, in der der Hauptmann von Woyzeck rasiert wird, mag durch Clarus’ Angabe, dass Johann Christian Woyzeck »bald als Friseur, bald als Bedienter« tätig gewesen sei, inspiriert sein; ebenso vom Hinweis, dass Woyzeck von Offizieren »manch unverdiente Kränkungen habe erfahren müssen« und andererseits »die Leute von ihm gesagt hätten, daß er ein guter Mensch sey«. Das entscheidende Argument des Gutachters Clarus gegen die Annahme von Woyzecks Unzurechnungsfähigkeit – dass er nämlich »vor, während und nach den Perioden« seiner »Sinnestäuschungen« durchweg »seine Geschäfte ordentlich besorgt habe« – übernimmt Büchner in die Doktor-Szene (8), in der Woyzeck versichert, seine Erbsenrationen »immer ordentlich« zu sich zu nehmen. Auf die Szenen 11 bis 14 weist folgende Passage aus dem Clarus-Gutachten: »Als in Gohlis die Kirmse gewesen, habe er Abends im Bette gelegen, und an die Woostin gedacht, daß diese wohl dort mit einem anderen zu Tanze seyn könne. Da sey es ihm ganz eigen gewesen, als ob er die Tanzmusik, Violinen und Bässe durcheinander, höre, und dazu im Takte die Worte:
Immer drauf, immer drauf!
« Auch die Jahrmarkt-Szene 3 könnte durch diese Episode angeregt worden sein. An anderer Stelle des Gutachtens ist vermerkt, dass Johann Christian Woyzeck Johanna Woost »mit seinem Nebenbuhler auf dem Tanzboden getroffen« habe. Die Woyzeck in Szene 13 bedrängenden Stimmen (»stich die Zickwolfin tot«) hat auch der historische Woyzeck nach seiner eigenen Aussage gehört (»Stich die Frau Woostin todt!«). Dass sich Woyzeck in Szene 14 mit Andres ein Bett teilt, stimmt insofern mit den überlieferten Tatsachen überein, als Johann Christian Woyzeck dem Gutachten zufolge im Winter 1820 »mit dem Tambour Vitzthum einige Wochen lang in einem Bette geschlafen« hat. Der Woyzeck des Stückes hört in derselben Szene Stimmen »aus

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