George Clooney, Tante Renate und ich (German Edition)
gewisser Herr Dirksen. Irgendjemand hat ihm erzählt, dass du krank bist und gar nicht zum Fest gehst. Aber da habe ich ihn gleich beruhigt. Er musste noch etwas erledigen, wird aber sicher gleich da sein.»
Auch das noch! Quak-Erich war auf dem Weg hierher!
Ruhig, Eva, gaanz ruhig. Ein atmen, aus atmen. Und die Zähne auseinandernehmen. Letzteres war am schwersten.
«Du bist ja ganz bleich geworden», sagte Renate besorgt. «Habe ich was falsch gemacht?»
Mit Gewalt zwang ich mich, meine Gesichtszüge zu einer Art Lächeln zu arrangieren.
«Na ja, es ist so.» Ich fasste meine Tante vertrauensvoll am Arm. «Dieser Mann macht auf den ersten Blick einen wahnsinnig netten und kultivierten Eindruck, aber das täuscht.» Fieberhaft überlegte ich weiter.
«Wie meinst du das, Evchen?»
Ich schlug den Blick zu Boden «Nun ja», druckste ich herum. Anscheinend hatte sich meine Phantasie einen freien Abend genommen, aber dann fiel mir ein, dass Katharina von einer Krawatte mit Gurkenmuster berichtet hatte. «Er steht auf ganz komische Sachen, weißt du.»
Tante Renate sah mich entsetzt an. «Grundgütiger! Ein Perverser?»
Ich nickte stumm. Ich hatte keine Ahnung, welche Bilder gerade vor ihrem geistigen Auge abliefen, aber sie schienen schrecklich zu sein.
«Also … das ist ja wohl … Mein armes Evchen, wenn ich das gewusst hätte!» Sie drückte mich kurz an ihren Busen. «Glaub mir, der wird hier nicht lange glücklich», sagte sie resolut. «Auf deine Tante ist Verlass!»
«Danke», hauchte ich, als Renate schon mit energischen Schritten auf Vinzenz zuging, die Proseccogläser in seiner Hand ignorierte und aufgeregt auf ihn einredete. Irgendwo hatte ich diesen Mann schon mal gesehen. Aber wo?
Zum Grübeln blieb mir jedoch keine Zeit, denn eine neonfarbene Gurkenkrawatte schob sich durch die Haustür und sah sich suchend um. Quak-Erich.
So schnell ich konnte, schlängelte ich mich durch die Menschenmassen aus seinem Blickfeld.
Katharina grinste nur, als ich atemlos berichtete, wer mir auf den Fersen war. «Ab in die Kammer mit dir!»
Mit noch mehr Prosecco und Schnittchen bewaffnet, gesellte ich mich zu Bruno und Erna.
«Ich klebe vorsichtshalber mal ein Schild an die Tür», witzelte Katharina. «Wegen Überfüllung vorübergehend geschlossen!»
«Sehr komisch!» Ich schnappte mir frustriert eine Scheibe Weißbrot mit Lachs. «Sorge lieber dafür, dass dieser Gurken-Vertreter wieder verschwindet.»
«Genau», sagte Erna. «Und wenn du Eduard-Vinzenz auch noch loswirst, hast du was gut bei mir.»
«Und Leo!», lallte Bruno und hob sein Glas in Richtung der zuknallenden Tür. «Ich mach keinen Schritt nach draußen, solange der auf mich lauert.» Er verzog das Gesicht. «Und dabei müsste ich dringend mal für kleine Königstiger.»
Das erinnerte mich blöderweise an meine eigene volle Blase. Zur Ablenkung fing ich ein Strategiegespräch mit Erna an.
«Hast du denn schon eine Idee, wie man diesen Heiratsschwindler hochgehen lassen könnte?», fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. «Ich hätte ja nie gedacht, dass ich den noch einmal wiedersehen würde. Zur Polizei bin ich damals auch nicht gegangen, weil ich mich so für meine Dummheit geschämt habe.»
Plötzlich erklang Musik in unserer Absteige: «Mein kleiner grüner Kaktus steht draußen am Balkon, hollari, hollari, hollaro!», trällerte jemand, und Bruno langte hektisch in seine Hosentasche. «Sorry, mein Handy», murmelte er und drückte das Gespräch weg.
«Sag mal», fragte Erna da, «hast du Leos Handynummer?»
Bruno schaute sie verdutzt an. «Kann schon sein.» Er sah nach und nickte. «Ja, wieso?»
Erna schnippte mit den Fingern. «Weil du ihn dann anrufen kannst …»
«Bist du verrückt? Ich will nicht mit Leo telefonieren!»
«Aber natürlich! Du könntest ihn anrufen und bitten, dich vom Zug abzuholen. So eine Gelegenheit würde er sich sicher nicht durch die Lappen gehen lassen, oder? Und du könntest hier raus.»
Ich schüttelte den Kopf. «Bahnhof ist zu nah», sagte ich. «Wenn schon, dann schick ihn zum Flughafen.»
«Genau!», rief Erna. «Du warst in Hamburg, dein Geldbeutel ist weg, kein Taxi in Sicht, und der Busfahrer weigert sich …»
«Ja-ha! Ich mach es ja schon! Aber gib mir dein Handy, Eva. Ich schicke ihm eine SMS, dann kann ich hinterher behaupten, die Nachricht wäre gar nicht von mir gewesen.»
Er tippte einen verzweifelten Hilferuf, und schon zwei Minuten später steckte Katharina den Kopf zur Tür
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