George, Elizabeth
interessierten, ob sie schon mal darüber nachgedacht
hätten, dass der Roller, mit dem sie sich aufhielten, ein italienischer Roller war und dass man italienische Roller tageweise mieten
konnte? Schließlich wohnte ein Italiener hier bei ihr, und
zwar einer, der ganz dicke mit Jemima gewesen war, bis sie mit ihm Schluss
gemacht hatte. Und ob sie dann nicht lieber Paolo di Fazio unter die Lupe
nehmen wollten, wenn sie schon so wild darauf waren, dieses Verbrechen jemandem
aus ihrem Haus anzuhängen?
»Mrs.
McHaggis.« Wieder Lynley. Diese schwermütigen Augen. Braun. Warum hatte der
Mann so blondes Haar und dazu so braune Augen?
Bella
wollte nicht mehr zuhören und schon gar nichts mehr davon wissen. Sie erinnerte
die beiden daran, dass nichts von dem, was sie sagten, eine Rolle spiele, weil
Frazer am Tag von Jemima Hastings' Tod nicht mal in der Nähe von Stoke Newington
gewesen sei. Er sei genau dort gewesen, wo er immer zwischen seiner Arbeit auf
der Eisbahn und seinem Job im Duke's war. Hier im Haus sei er gewesen,
er habe geduscht und sich umgezogen. Das habe sie ihnen längst gesagt, verdammt
noch mal, und wie oft solle sie es ihnen noch...
»Hat er Sie
verführt, Mrs. McHaggis?« Es war die Frau, die die Frage stellte, und sie
stellte sie unverblümt. Sie saßen alle drei am Küchentisch, auf dem Salz- und
Pfefferstreuer standen. Bella hätte sie der Frau am liebsten an den Kopf
geworfen oder an die Wand, aber sie ließ es bleiben. Stattdessen sagte sie:
»Wie können Sie es wagen?«, was eine altmodische Bemerkung war, die ihr Alter
mehr verriet als alles andere, was sie gesagt hatte. Junge Leute - wie diese
beiden Polizisten - redeten andauernd über solche Dinge. Allerdings benutzten
sie nicht das Wort verführen, wenn sie unter ihresgleichen
darüber sprachen, und sie dachten sich nichts dabei, was es bedeutete, derart
in die Privatsphäre anderer Leute einzudringen.
»Es ist
seine Art, Mrs. McHaggis«, sagte die Frau. »Das wurde uns bestätigt von...«
»In diesem
Haus herrschen Regeln«, erklärt Bella steif. »Und ich bin nicht so eine.
Anzunehmen... Auch nur zu denken... oder überhaupt zu mutmaßen...« Gott, sie
fing schon an zu stammeln. Wahrscheinlich hielten sie sie für eine komplette Närrin, eine alte Schachtel,
die einem samtäugigen Don Juan auf den Leim gegangen war, der sie um ihr Geld
erleichtern wollte, wo sie doch überhaupt keins hatte. Also warum hätte er sich
dann mit ihr abgeben sollen? Sie riss sich zusammen. Und besann sich der Würde,
die ihr geblieben war. Sie sagte: »Ich kenne meine Mieter. Ich habe es mir zur
Angewohnheit gemacht, meine Mieter zu kennen, weil ich nämlich mit ihnen unter
einem Dach wohne, verflixt noch mal, und ich will ganz bestimmt nicht mit einem
Mörder unter einem Dach wohnen, was glauben Sie wohl?« Sie wartete nicht
darauf, ob sie ihre Frage beantworteten, die ohnehin rhetorisch gemeint war.
»Also hören Sie mir gut zu, denn ich werde mich nicht wiederholen: Frazer
Chaplin wohnt hier, seit ich Zimmer vermiete, und meinen Sie nicht, ich hätte
längst herausgefunden, dass er... wofür auch immer Sie ihn halten mögen...«
Die beiden Polizisten
tauschten einen langen Blick aus. Es war der Mann, der das Gespräch wieder
aufnahm. »Sie haben recht. Das war nicht besonders hilfreich. Ich glaube,
Superintendent Ardery wollte sagen, dass Frazer einen Schlag bei den Frauen
hat.«
»Und wenn schon?«, entgegnete
Bella trotzig. »Das ist ja nicht seine Schuld.«
»Das will ich auch nicht
sagen.« Lynley fuhr fort und fragte, ob sie vielleicht noch einmal auf das
zurückkommen könnten, was sie ihnen darüber erzählt hatte, wo Frazer an dem Tag
gewesen war, als Jemima Hastings ermordet wurde.
Das habe sie ihnen doch
bereits gesagt. Sie habe es mehrmals wiederholt, und es werde sich auch nichts
daran ändern, wenn sie es noch einmal sage. Frazer habe getan, was er immer
tue...
Genau darum gehe es ihnen.
Wenn ein Tag im Leben von Frazer Chaplin wie der andere war, bestehe da nicht
die Möglichkeit, dass sie sich geirrt habe, dass sie vielleicht nur gedacht
habe, was er getan hätte? Könne es sein, dass er später etwas gesagt oder getan
habe, um sie glauben zu machen, er sei wie gewohnt zu der Zeit zu Hause
gewesen, während er in Wahrheit gar nicht zu Hause gewesen sei? Ob sie ihn
immer sehe, wenn er nach Hause komme, um zwischen den zwei Jobs zu duschen und
sich umzuziehen? Ob sie ihn immer höre? Ob sie wirklich immer genau zu der Zeit
zu Hause
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