Georgette Heyer
gesagt, daß du ganz danach aussiehst, daß du
ein liebes Mädel bist, und das bist du auch. Als sie dich mit Maria Hendred
zusammen sah, erriet sie sofort, wer du bist, aber – < Verlaß dich drauf! > sagte sie. < Maria wird schon aufpassen, daß sie sie nicht in Hörweite an
mich heranläßt! > »
«Hat – hat meine Mutter gewünscht,
mich zu sehen?» fragte Venetia.
«Wer würde das nicht, meine Liebe?
Jaja, ich wage zu behaupten, daß sie sogar verteufelt froh sein wird, daß du
gekommen bist. Sie hat nicht davon gesprochen, weißt du, aber ich bilde mir
ein, daß es ihr durchaus nicht gleichgültig war, als dieser Bruder da von dir
sie nie besuchen kam. Ein schöner junger Mann – aber trägt die Nase viel zu
hoch.»
«Conway!» rief sie aus. «Wo war das,
Sir – in Paris?»
«Nein, nein, in Lissabon! Der dumme
Schlingel hat nicht mehr getan, als gerade nur sich verbeugt – genauso hoch
hinaus wie sein Vater! Tja, und einen schönen Mist hat er da mit seiner Heirat
angerichtet, was? Himmel, meine Liebe, wie ist der in diese Falle geraten? < Na > , hab ich gesagt, als ich hörte, daß < die Witwe > ihn geschnappt
hat, < das ist jetzt der Sturz aus einer luftigen Höhe! > – Und was bringt
dich nach London, mein hübsches Töchterchen?»
Sie erzählte ihm, sie sei bei ihrer
Tante auf Besuch, und als er erfuhr, daß es ihr erster Londoner Aufenthalt war,
rief er aus, er wünschte, er hätte sie ausführen können, damit sie alle die
großen Gesellschaftslöwen kennenlernte.
Nach ungefähr zwanzig Minuten kam
ein schickes französisches Zöfchen ins Zimmer und meldete, daß «Miladi» jetzt
bereit sei, «Mademoiselle» zu empfangen. Venetia wurde durch einen kleinen
Salon und ein Vorzimmer in ein großes, luxuriöses Schlafzimmer geführt. Es
duftete üppig nach einem feinen Parfüm; Venetia blieb plötzlich auf der
Schwelle stehen und rief unwillkürlich aus: «Oh, dein Parfüm! Ich erinnere mich
daran – ich erinnere mich ja so gut daran!»
Ein
glockenhelles Lachen begrüßte sie. «Wirklich? Ich habe es immer benützt – schon
immer! Oh, du hast immer dagesessen und hast mir zugeschaut, wenn ich mich für
eine Gesellschaft ankleidete, nicht? Du warst ein so drolliges Geschöpfchen,
aber ich dachte schon damals, daß du höchstwahrscheinlich hübsch werden würdest,
wenn du einmal groß sein wirst!»
Aus ihrem
plötzlichen Heimweh zurückgerufen, stammelte Ve netia bei ihrem Knicks: «Oh,
ich bitte vielmals um Verzeihung, Ma'am! How – how do you do?»
Lady Steeple lachte wieder und erhob
sich von ihrem Stuhl vor einem Toilettetisch, der mit Tiegelchen, Fläschchen
und Schmuckschachteln bedeckt war, kam auf ihre Tochter zu und streckte ihr
die Hände entgegen. «Ist das nicht einfach absurd?» sagte sie und bot Venetia
eine zart geschminkte und gepuderte Wange zum Kuß. «Ich habe das Gefühl, es ist
einfach nicht möglich, daß ich eine erwachsene Tochter habe!»
Einem Rippenstoß ihres Schutzengels
gehorchend, antwortete Venetia: «Das würde auch kein Mensch glauben, Ma'am –
nicht einmal ich!»
«Du Darling! Was haben sie dir über
mich erzählt – Francis und Maria und ihre ganze muffige Clique?»
«Nichts, Ma'am, außer, daß ich
niemals so wunderschön werden würde wie Sie, und das habe ich nur von Nurse!
Bis gestern habe ich geglaubt, Sie seien gestorben, als Sie uns verließen.»
«O nein, wirklich? Hat dir das
Francis gesagt? Ja, bestimmt, denn das sähe ihm ja so ähnlich! Der Arme, ich
war ja eine solch schwere Heimsuchung für ihn! Hast du ihn gern gehabt?»
«Nein, überhaupt nicht», antwortete
Venetia ruhig.
Darüber mußte Ihre Gnaden wieder
lachen. Sie bedeutete Venetia mit einer Geste, Platz zu nehmen, setzte sich
wieder vor ihren Toilettetisch und betrachtete ihre Tochter kritisch. Venetia
hatte jetzt Muße zu erkennen, daß das Gewoge aus Spitze und Gaze, in das Ihre
Gnaden gehüllt war, in Wirklichkeit ein Morgenmantel war. Es war durchaus nicht
die Art Kleidungsstück, das zu tragen man von seiner eigenen Mama erwartet
hätte, denn es war ebenso unanständig, wie es hübsch war. Venetia fragte sich,
ob Damerel der Anblick seiner jungen Frau in genauso einer durchsichtigen Wolke
aus Gaze gefallen würde, und neigte stark zu der Meinung, daß es ihm sehr
gefallen würde.
«Also jetzt erzähle mir einmal alles
über dich!» forderte Lady Steeple Venetia auf, während sie ihren Handspiegel
aufnahm und ernst ihr Profil studierte. «Du siehst mir äußerst ähnlich,
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