Georgette Heyer
aber
deine Nase ist nicht so gerade wie die meine, und ich bilde mir ein, daß dein
Gesicht kein ganz perfektes Oval ist. Und ich meine wirklich, Liebstes, daß du
gerade nur um eine Spur, aber doch zu groß bist. Trotzdem hast du dich
bemerkenswert gut herausgemacht! Conway ist auch sehr hübsch, aber so steif und
dumm, daß er mich an seinen Vater erinnerte, und ich konnte mir nicht helfen,
ich mochte ihn einfach nicht. Was hat er doch da in Paris zusammengepfuscht!
Hätte es dich gefreut, wenn ich den Plan der Witwe durchkreuzt hätte? Ich bin überzeugt, es
wäre mir gelungen, denn sie ist eine derart reputierliche Person, daß sie
geradezu besessen ist, so zu tun, als existiere ich überhaupt nicht. Ich habe
das von irgendwem gehört, der weiß, daß das Tatsache ist! Ich hatte große
Lust, ihr einen Besuch abzustatten – um die Bekanntschaft meiner zukünftigen
Schwiegertochter zu machen, weißt du! Es wäre ja ein solcher Spaß geworden! Ich
habe vergessen, warum ich dann doch nicht hinging – ich vermute, ich hatte
zuviel zu tun, oder vielleicht hat Lamb – o nein, jetzt erinnere ich mich! Es
war so heiß in Paris, daß wir uns in unser château zurückzogen – mein
Trianon! Lamb hat es gekauft und mir als Überraschung zum Geburtstag geschenkt
– der reizendste Fleck, den man sich vorstellen kann! Na schön, wenn Conway
daraufkommt, daß er sich an eine stumpfsinnige kleine nigaude gekettet
hat, geschieht ihm sehr recht! Warum bist eigentlich du noch nicht
verheiratet, Venetia? Wie alt bist du? Es ist so dumm, sich nicht an Zahlen zu
erinnern, aber ich kann das nie!»
«Über fünfundzwanzig, Ma'am!»
antwortete Venetia mit einem ziemlich spitzbübischen Zwinkern.
«Fünfundzwanzig!» Lady Steeple
schien einen Augenblick zurückzuschrecken und hob doch tatsächlich die Hand,
als wollte sie etwas Häßliches abwehren. «Fünfundzwanzig!» wiederholte sie und
schaute instinktiv mit prüfend zusammengekniffenen Augen in den Spiegel. «Oh,
unmöglich! Ich war natürlich noch das reinste Kind, als du geboren wurdest!
Aber was in aller Welt hast du mit dir angestellt, daß du entschieden
sitzengeblieben bist?»
«Gar nichts, Ma'am», sagte Venetia
und lächelte sie an. «Sehen Sie, bevor ich vor einem Monat nach London kam,
hatte ich noch keine größere Stadt als York gesehen, noch bin ich weiter von Undershaw
fortgekommen als bis Harrogate!»
«Guter Gott, das ist doch nicht dein
Ernst?» rief Lady Steeple aus und starrte sie an. «So etwas Entsetzliches habe
ich noch nie im Leben gehört! Erzähl mir doch!»
Venetia erzählte ihr also, und
obwohl der Gedanke an Sir Francis als Einsiedler Lady Steeple wieder in ihr
entzückendes Lachen ausbrechen ließ, war sie von der Geschichte wirklich
entsetzt und rief, als Venetia geendet hatte: «Oh, du armes kleines Ding! Haßt
du mich jetzt deshalb?»
«Nein, natürlich nicht!» antwortete
Venetia beruhigend.
«Weißt du, ich wollte wirklich nie
Kinder haben!» erklärte Ihre Gnaden. «Sie ruinieren einem die Figur, und wenn
man schwanger ist, schaut man einfach abscheulich aus, und sie schauen auch abscheulich
aus, ganz rot und verschrumpft, obwohl ich sagen muß, du und Conway, ihr wart sehr hübsche
Babys. Aber mein letztes – wie war doch der Name, auf dem Francis bestand? Oh,
Aubrey, nicht? Nach einem seiner dummen Ahnen. Ja, Aubrey! Nun, der schaute wie
ein kranker Affe aus – fürchterlich! Natürlich hielt es Francis für meine
Pflicht, daß ich ihn selbst stille, als wäre ich eine Bauerndirne gewesen! Ich
kann mir nicht erklären, wie er auf einen derart vulgären Einfall kam, denn ich
jedenfalls weiß, daß die alte Lady Lanyon immer eine Amme anstellte! Aber es
ging nicht gut aus, denn es machte mich ganz krank, ein solches verschrumpeltes
Geschöpf anschauen zu müssen. Außerdem war er so lästig, daß er mich nervös
machte. Ich hätte nie geglaubt, daß er am Leben bleibt, aber er lebt doch,
nicht?»
Im Schutze ihres Muffs ballte
Venetia die Hände, bis die Nägel in die Handflächen schnitten, aber sie
antwortete kühl: «O ja! Vielleicht war er wegen seiner Hüfte lästig. Er
hat ein krankes Hüftgelenk, müssen Sie wissen. Es ist jetzt besser, aber er
hat sehr viel gelitten, als er jünger war, und er wird immer hinken.»
«Der arme Junge!» sagte Ihre Gnaden
mitleidig. «Ist er mit dir nach London gekommen?»
«Nein, er ist im Yorkshire
geblieben. Ich glaube nicht, daß ihm viel an London läge. Ja, es liegt ihm
überhaupt nicht viel
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