Georgette Heyer
seiner Brust aufsteigen ließ. «O ja, aber natürlich
werde ich das!» versprach er Sir John ernst. Dann verbrachte er einen
glücklichen Abend damit, daß er mit ihm beunruhigende Probleme diskutierte,
wie etwa, was er in Crossley an Trinkgeldern geben solle, wie er am besten
seine Jagdpferde hinbringen könne und ob man von ihm erwarten würde, abends
Kniehosen zu tragen. Sir John beruhigte ihn in dieser Hinsicht, erließ aber bei
dieser Gelegenheit ein Verbot, bunte, nur lose geknüpfte Taschentücher statt
adrett arrangierter Halstücher zu tragen. Aber die schwindelerregende Aussicht,
mondäne Kreise zu betreten, hatte aus Oswalds Gemüt jegliche Sehnsucht
verbannt, sich um eine romantische Note zu bemühen, daher war dies unnötig,
und Sir John sah sich bald genötigt, statt dessen den Ankauf eines Paars
Reitstiefel mit weißen Stulpen zu verbieten. Oswald war enttäuscht, aber so
ungewohnt fügsam, daß sich Sir John ermutigt sah, ihm einige sehr vernünftige
Ratschläge hinsichtlich des bescheidenen Betragens zu geben, dessen sich ein
Neuling befleißigen sollte, der den Beifall jener erfahrenen Jäger zu gewinnen
wünschte, die als die Krone der großen Welt galten. Da er seine ziemlich
dämpfende Predigt mit dem Ausspruch einleitete, falls er nicht wüßte, daß er
sich der Reitkunst seines Sohnes keineswegs zu schämen brauchte, hätte er keinen
Augenblick lang daran gedacht, ihn nach Crossley gehen zu lassen, war Oswald
imstande, das Ganze mit guter Miene zu schlukken. Sir John war seit vielen
Monaten seinem einzigen Sohn nicht mehr so gnädig gesinnt gewesen, informierte
er später Lady Denny und fügte hinzu, als er seine Schlafzimmerkerze ausblies,
falls sich der Junge auch in Crossley so nett betrage, zweifle er nicht, daß
sein Onkel und seine Tante sehr erfreut über ihn sein würden.
Da Lady Dennys Gemüt um ihre
wichtigste Sorge erleichtert war, konnte sie sich der Betrachtung einer
zweitrangigen Besorgnis zuwenden. Sir John hatte unmißverständlich einen
tastenden Vorschlag abgelehnt, Damerel mit
Andeutungen von Undershaw zu entfernen; so beschloß sie, daß es
trotz der Ansprüche ihrer bettlägerigen Kinder ihre Pflicht sei, nach
Undershaw hinüberzufahren, um selbst zu sehen, wieviel Wahres
in Oswalds Behauptungen stekke, und, wenn nötig, Schritte zu
unternehmen, die geeignet waren, mit einer sehr gefährlichen Situation Schluß
zu machen. Was das für Schritte sein sollten, wußte sie
nicht, noch überlegte sie es sich ernstlich, denn je mehr sie über die Sache
nachdachte, um so größer wurde ihre Hoffnung, zu entdecken, daß die alarmierende
Geschichte nichts als ein Produkt von Oswalds fieberhafter Phantasie war.
Als sie aber am nächsten Tag in
Undershaw eintraf, sah sie auf den ersten Blick, daß sie sich einem grundlosen
Optimismus hingegeben hatte. Venetia strahlte, war
lieblicher denn je, das Glück leuchtete ihr aus den Augen und der rosige Hauch
auf ihren Wangen war eine neue Blüte.
Sie begrüßte ihre mütterliche
Freundin liebevoll wie immer und mit allem Ausdruck der Freude über ihren
Besuch, aber Lady Denny ließ
sich nicht täuschen – Venetia lebte in einer eigenen, paradiesischen Welt. Und obwohl sie sich
nach den Kranken in Ebbersley erkundigte, voll Anteilnahme einem Bericht über
deren Fortschritte lauschte und wirklich an
ihnen und an verschiedenen anderen ähnlichen Themen interessiert zu sein
schien, lagen ihre Höflichkeiten nur an der Oberfläche.
Während Lady Denny gemütlich
dahinplätschernd plauderte, suchte sie nach irgendeiner Möglichkeit, auf den
wahren Zweck ihres
Besuchs zu kommen, ohne ihn gar zu deutlich zu enthüllen.
Sie hatte sich noch selten in einer
derartigen Verlegenheit befunden. Sie hatte beschlossen, die natürlichste
Annäherung würde die sein, Aubreys Unfall zu diskutieren.
Zwar gelangte sie so weit, zu sagen, daß er Venetia in eine
peinliche Situation gebracht habe, aber dieser vielversprechende Eröffnungszug
mißlang. Venetia lächelte sie spitzbübisch an und
antwortete: «Liebste Ma'am, jetzt haben Sie ja wie Edward gesprochen! Bitte um
Verzeihung, aber ich muß einfach lachen! Die Situation war nicht im mindesten
peinlich.»
Lady Denny versuchte ihr Bestes.
«Nun, meine Liebe, ich bin glücklich, das zu hören, aber ich glaube, du
verstehst nicht ganz, daß die Situation besonders heikel war.»
«Nein», stimmte ihr Venetia zu und
brachte sie damit völlig aus der Fassung. «Ich kann natürlich verstehen, daß
sie
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