Georgette Heyer
genug sei!»
«Aber, Venetia ...»
Venetia lachte. «Verzeihung! Ich
konnte einfach nicht widerstehen! Aber es gibt nicht den geringsten Grund zu
Unbehagen, denn Damerel sieht die Sache genauso wie Sie. Vielleicht haben Sie
bemerkt, daß ich ihn nicht fragte, ob er zum Abendessen hierbleiben wolle, als
er sagte, er würde Aubrey uni die Zeit wiederbringen? Ich weiß, es würde nichts
nützen – er wird es nie tun. Er sagt mir, solange er nichts anderes tut, als
uns Morgenbesuche zu machen, werden die kritischen Leute sagen, er laufe hinter
mir her, wenn er aber gar hier dinieren würde, dann würden sie sagen, daß ich
seine sehr unschicklichen Annäherungsversuche ermutige. Beruhigt Sie das,
liebste Ma'am?»
Es hatte genau die entgegengesetzte
Wirkung auf ihre gütige Freundin. Und es war eine sehr bekümmerte Lady, die
nach Ebbersley zurückfuhr und Sir John unverzüglich einen Bericht über ihren
Besuch lieferte. Wäre sie weniger abgelenkt gewesen, hätte ihr der Ausdruck auf
dem Gesicht ihres Sohnes eine zusätzliche Besorgnis verschafft – er sah
gleichzeitig schuldbewußt und ängstlich aus, als sie ins Zimmer schaute, wo er
mit Sir John saß, und als sie diesen bat, in ihr Ankleidezimmer zu kommen. Zum
Glück jedoch sah sie ihren Sohn nicht an. Nach einer nervenzermürbenden
Zeitspanne, in der sich Oswald ausmalte, wie sie seinem Vater sein entsetzliches
Verhalten in Aubreys Tischlerscheune enthüllte, erkannte er, als sein Vater
wieder zu ihm zurückkam, daß ihn Venetia jedoch nicht verraten hatte, und war derart
erleichtert, daß er beschloß, ihr einen sehr höflichen Brief der Entschuldigung
zu schreiben, bevor er Ebbersley verließ, um nach Crossley zu fahren.
Sir John sah bei der Erzählung
seiner Gattin ernst drein, aber er blieb fest bei seiner Weigerung, sich
einzumischen. Lady Denny, die dies für feige hielt, sagte vorwurfsvoll: «Bitte
sehr, würdest du vielleicht auch nur zögern, mit Lord Damerel zu sprechen, wenn
es um deine Tochter ginge»?
«Nein, bestimmt nicht, aber Venetia
ist nicht meine Tochter», antwortete er. «Noch, meine Liebe, ist sie achtzehn
Jahre alt. Sie ist fünfundzwanzig und ihre eigene Herrin. Falls sie sich
wirklich in Damerel verliebt hat, tut sie mir leid, weil ich fürchte, daß es
ihr Schmerz bereiten wird. Aber falls du fürchtest, daß sie irgendeine sehr
ernste Unvorsichtigkeit begehen könnte, bin ich überzeugt, daß du deine
Besorgnis mit deinem Verstand durchgehen läßt. Was mich betrifft, halte ich
Venetia für. ein Mädchen von vorzüglichen Grundsätzen und für sehr verständig
und kann nicht annehmen, daß Damerel, dem es, was immer seine Grundsätze sein
mögen, sicherlich nicht an Vernunft mangelt, mehr im Sinn hat als einen Flirt.»
Er sah, daß Lady Denny den Kopf schüttelte und fügte etwas scharf hinzu:
«Gestehe mir doch zu, mein Liebes, daß ich etwas besser weiß als du, wie sich
ein Mann wie Damerel zu einem Mädchen in Venetias Position verhält! Er ist liederlich
– das leugne ich nicht, aber du bist einfach zu voreingenommen. Was immer
seine Torheiten gewesen sein mögen, er hat Lebensart und ein ungewöhnliches
Maß an Weltkenntnis, und du kannst dich darauf verlassen, daß er nichts anderes
im Kopf hat als gerade nur einen angenehmen Flirt mit einer sehr hübschen Frau.
Es ist unrecht von ihm, und sehr unheilvoll, denn er wird sie eine Woche nach
seiner Abreise von der Priory vergessen haben, und sehr wahrscheinlich wird sie
einen großen Schmerz erleiden. Aber solltest du mit deiner Meinung recht
haben, daß sie ein tendre für ihn empfindet, kann das auch durch eine
Einmischung meinerseits nicht geheilt werden, noch auch – muß ich hinzufügen –
durch irgendeinen Versuch deinerseits, sie zu warnen, daß Damerel nur mit ihr
spielt.»
«Oh, Sir John, das brauchen Sie mir
nicht zu sagen!» rief sie aus. «Ein solches Kamel bin ich auch nicht, daß ich
nicht im Handumdrehen erkannte, wie nutzlos es wäre, mit ihr zu reden! Aber in
einem irrst du. Ich gebe zu, als ich mich heute morgen auf den Weg machte, da –
aber als ich ihn sah, den Blick in seinen Augen, jedesmal, wenn sie auf ihr
ruhten, ergriff mich die schrecklichste Angst! Des einen kannst du sicher sein
– er spielt nicht, er ist ebensosehr in sie verliebt, wie sie in ihn! Sir John,
falls nichts unternommen wird, um sie vor ihm zu schützen, wird sie ihn
heiraten!»
«Guter Gott!» brachte er heraus.
«Willst du mir damit erzählen – nein, das glaube ich nicht! Er
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