Georgette Heyer
wirklich?» Lady Fanny war sofort besänftigt. «Du
schmeichelst mir, aber ich glaube, man hielt mich früher tatsächlich für eine
Schönheit, stimmt's, Justin? Ich hoffe allerdings, daß ich nie so eigensinnig
war wie Juliana, die mit ihrem törichten Benehmen wahrscheinlich alles verderben
wird.» Sie wandte sich Avon zu. «Ach, Justin, es ist zu ärgerlich! Das kleine
Gänschen hat sich ausgerechnet den reinsten Niemand als Schwarm ausgesucht,
und ich bin gezwungen – ja, gezwungen, sie nach Paris zu schicken, damit sie
sich diesen Unsinn aus dem Kopf schlägt.»
Leonie
zeigte unverhohlenes Interesse. «Oh, Juliana ist verliebt? Aber so sag doch
schon, in wen denn?»
«Ich flehe
dich an, setz ihr nicht einen solchen Floh ins Ohr!» beschwor sie Lady Fanny.
«Von Verliebtheit kann gar keine Rede sein. Du lieber Gott, wenn ich den ersten
Mann, in den verliebt zu sein ich mir einbildete, gleich geheiratet hätte –! Es
ist nichts als eben die erste alberne Schwärmerei, aber Juliana ist ein so
halsstarriges Kind, daß ich auf das Schlimmste gefaßt sein muß. Es bleibt mir
nichts anderes übrig, als sie nach Frankreich zu schicken. John soll sie
begleiten.»
«Wer»,
fragte Seine Gnaden gleichgültig, «ist dieser Niemand?»
«Ach, der
Sohn von irgendeinem Landjunker. Der junge Carlisle protegiert ihn.»
«Ist er
hübsch?» fragte Leonie.
«Ich denke
schon, Liebste, aber das spielt doch keine Rolle. Ich habe mit Juliana andere
Pläne.» Sie zupfte an ihren Spitzen und fuhr leichthin fort: «Wir beide haben
schließlich oft genug darüber gesprochen, und ehrlich gesagt, ich finde, sie
wären einfach ein bezauberndes Paar, abgesehen davon, daß für mich ein
Herzenswunsch in Erfüllung ginge. Ich war schon immer der Ansicht, daß sie
wunderbar zusammenpassen, und ich bin überzeugt, es wäre mittlerweile alles
geregelt, wenn Juliana es sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, ihren Spott mit
mir zu treiben, obwohl ich ihr ganz gewiß keinen Vorwurf daraus machen kann,
daß sie ihm die kalte Schulter zeigt, denn so wie er sich aufführt, verdient er
nichts Besseres.»
Sie hielt
inne, um Atem zu holen, und schoß Avon aus den Augen winkeln einen Blick zu.
Er war ein Bild vollkommener Gelassenheit. Ein leichtes Lächeln spielte um
seine dünnen Lippen, und er betrachtete seine Schwester mit zynischer
Belustigung. «Ich finde es etwas schwierig, deiner Konversation zu folgen,
meine Gute. Willst du mich nicht aufklären?»
«Wozu die
Mühe?» sagte Lady Fanny verschmitzt. «Ich habe nämlich das Gefühl, daß du mich
sehr gut verstehst.»
«Aber ich
nicht», warf Leonie ein. «Wer verdient, daß Juliana ihm die kalte Schulter
zeigt? Der arme Niemand?»
«Natürlich
nicht!» antwortete ihre Schwägerin ungeduldig. Sie schien keineswegs geneigt,
sich deutlicher auszudrücken. Leonie schaute den Herzog fragend an.
Er nahm
gemächlich eine Prise aus seiner Schnupftabaksdose, bevor er erwiderte: «Ich
fürchte, Fanny spricht von unserem Sohn.»
Ein
fassungsloser Ausdruck trat auf Leonies Züge. «Dominique? Aber ...» Sie hielt
inne und wandte sich wieder Fanny zu. «Nein», sagte sie unverblümt.
Lady Fanny
war auf alles andere vorbereitet als auf eine so kategorische Ablehnung.
«Lieber Himmel, was soll das heißen – nein?»
«Ich bin
absolut dagegen, daß Dominique Juliana heiratet.»
«Vielleicht»,
sagte Fanny, indem sie sich sehr steif in ihrem Stuhl aufsetzte, «bist du so liebenswürdig,
mir zu erklären, was das bedeutet.»
«Es tut mir
leid, wenn ich grob war», entschuldigte sich Leonie. «War ich das,
Monseigneur?»
«Eindeutig»,
bestätigte er und schloß seine Tabakdose mit gekonnter Fingerbewegung. «Aber im
Gegensatz zu Fanny von bewundernswerter Offenheit.»
«Es tut mir
wirklich leid», wiederholte sie. «Nicht, daß ich Juliana nicht reizend fände,
doch in glaube nicht, daß es Dominic Spaß machen würde, sie zu heiraten.»
«Spaß!»
Fanny richtete ihren Blick mit verzeihlicher Empörung auf ihren Bruder. «Wenn
das alles ist –! Am Ende hast du auch vergessen, was wir vor Jahren planten?»
«Verzeih
mir, aber ich mache prinzipiell nie Pläne.»
Leonie kam
entschlossen einer hitzigen Entgegnung zuvor. «Es stimmt schon, Fanny: wir –
das heißt, nicht Monseigneur, sondern wir beide – sprachen einmal davon, daß
Dominique und Juliana ein Paar werden sollen. Aber damals waren sie doch noch
ganz klein, und inzwischen hat sich meiner Meinung nach vieles geändert.»
«Was hat
sich
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