Georgette Heyer
ich fragen, wie es um
dein wertes Befinden steht?»
Lady Fanny
begann daraufhin prompt mit einer Aufzählung der vie len Leiden, die sie
plagten – ein sehr ergiebiges Thema, und Seine Gnaden zeigte genug höfliches
Interesse, um sie zu ermutigen, sich großzügig darüber zu verbreiten. Ihr
Monolog dauerte zwanzig Minuten und befaßte sich fast ausschließlich mit Dr.
Cocchis Buch «Die pythagoreische Diät oder Vegetarier leben länger und
gesünder». Seine Gnaden war die Liebenswürdigkeit in Person. Lady Fanny wand
sich innerlich vor Verlegenheit und geriet allmählich ins Stottern, bis die
munter plätschernde Schilderung ihrer Unpäßlichkeit tröpfelnd versiegte. In
dem nun folgenden kurzen Schweigen nahm Seine Gnaden eine Prise Schnupftabak.
Dann sagte er in gleichgültigem Ton, während er seine elegante goldene Dose
zuschnappen ließ: «Angeblich darf man in unserer Familie bald eine Vermählung
erwarten, meine Liebe?»
Lady Fanny
fuhr kerzengerade in die Höhe. «Eine – eine Vermählung?» stammelte sie. «Aber
– aber – was meinst du, Justin?»
Seine
Gnaden hob unmerklich die Brauen, und sie hatte das Gefühl, als betrachte er
sie mit leiser Bosheit. «Zweifellos eine falsche Information. Ich hegte die
Vermutung, meine Nichte würde in Bälde einen Gentleman namens Comyn heiraten.»
«Oh!»
hauchte Ihre Ladyschaft ganz schwach vor Erleichterung und sank in die Kissen
zurück. «Davon ist natürlich kein Wort wahr. Hast du denn vergessen, daß ich
sie nach Paris geschickt habe, damit sie sich diesen unglückseligen jungen Mann
aus dem Kopf schlägt?»
«Im
Gegenteil, ich war der Auffassung, daß du auf diese Weise eine Mesalliance
verhindern wolltest.»
«Aber –
aber so ist es ja auch!» sagte Fanny verblüfft.
Seine
Gnaden schnippte einen Tabakskrümel von seinem Ärmel. «Vielleicht sollte ich
dich darüber aufklären, verehrte Schwester, daß ich diese Verbindung durchaus
billige.»
Lady Fanny
tastete nach ihrem Riechfläschchen. «Justin, ich verstehe dich einfach nicht!
Dieser Comyn ist doch ein absoluter Niemand! Ich erhoffe mir wirklich eine
bessere Partie für meine Tochter und hätte es nie für möglich gehalten, daß du
mit einem solchen Unsinn einverstanden sein könntest. Was in aller Welt ist
denn plötzlich mit dir los? Du hast den jungen Mann doch nie gesehen!»
«Ich
widerspreche dir zwar nur höchst ungern, liebt Fanny», sagte Seine Gnaden
höflich, «Aber du wirst mir vielleicht zugestehen, daß ich keineswegs bereits
ein seniler alter Tropf bin. Ich hatte das Vergnügen, Mr. Comyn kennenzulernen,
und er machte einen unbestreitbar guten Eindruck auf mich. Was mir vor allem
angenehm auffiel, war seine offenbar ganz beachtliche Geistesgegenwart. Alles
in allem bin ich ehrlich überrascht, daß er sich ausgerechnet um meine Nichte
bewirbt.»
Lady Fanny
hielt sich ihr Riechsalz unter die Nase und schöpfte unter heftigem Schnüffeln
genug Kraft, um auf diese erstaunliche Eröffnung zu
antworten: «Ich glaube, du bist verrückt geworden, Justin. Sei versichert, ich
habe berechtigte Hoffnung, daß Juliana Bertrand de Saint-Vire heiraten wird.»
Seine
Gnaden lächelte. «Ich fürchte, meine liebe Fanny, da mußt du dich auf eine
große Enttäuschung vorbereiten.»
«Ich weiß
nicht, was du damit sagen willst, und ehrlich gestanden bin ich auch gar nicht
neugierig darauf!» sagte Ihre Ladyschaft mürrisch. «Im Grunde hätte ich mir ja
denken können, daß du mich wieder bis aufs Blut reizen wirst! Und wenn du nur
so früh aus Newmarket zurückgekehrt bist, um Juliana in ihrer
Widerspenstigkeit zu bestärken, finde ich das wirklich abscheulich von dir.»
«Bitte,
beruhige dich, Fanny. Ich bin im Begriff, dich von meiner Anwesenheit zu
erlösen. Es freut dich sicherlich zu erfahren, daß ich London noch heute abend
verlasse.»
Lady Fanny
musterte ihn mit aufkeimender Besorgnis. «Oh, tatsächlich, Justin? Und wohin
wird dich die Reise diesmal führen?»
«Das ist
selbstverständlich kein Geheimnis», antwortete Seine Gnaden freundlich. «Aber
bestimmt hast du es ohnehin schon erraten?»
«Nein – ja
– ach, wie sollte ich denn? Wohin fährst du?» stotterte Lady Fanny.
Seine
Gnaden schritt zur Tür. In seinen Augen funkelte unverhohlener Spott. «Zu
Cousine Harriet natürlich, meine Liebe. Wohin sonst?» Er verbeugte sich,
während sie ihn sprachlos vor Schreck und Argwohn anstarrte, und bevor sie
wieder zur Besinnung kam, hatte sich die Tür bereits hinter ihm
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